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Am Nachtfeuer

In Frankreich hat er die Weinreben erwischt, im kroatischen Slawonien die Obstbäume, im slowenischen Karst hat er die hoffnungsvollen, prallen Triebe des Magnolienbaums im Garten des Schwiegervaters in braune, schrumpelige Leichen verwandelt: der Nachtfrost zur Unzeit. Mitte April, wenn es am Mittelmeer schneit.

Mit Kerzen, Frostfackeln und unzähligen kleinen Feuern stemmen sie sich gegen die Polarluft, die Obstbauern und Winzerinnen versuchen zu retten, was zu retten ist. Mit Wärme. Ganze Nächte verbringen sie in der Nähe ihrer Bäume und Reben. Manchmal gelingt es, häufig nicht. Weinbauern etwa im Burgund oder im Rhônetal sprechen in diesem Jahr von einem fast kompletten Ernteausfall, eine Winzerin im Département ­Landes von mindestens 90 Prozent Ernteverlust. So berichten es französische Medien.

In Kroatien traf es das Steinobst. Einige Kirsch-, Aprikosen-, Pflaumen- und Pfirsichplantagen wurden wohl zu 90 Prozent oder sogar zu 100 Prozent zerstört. In anderen Teilen Kroatiens wurden auch Äpfel und Birnen beschädigt, ebenfalls in großen Prozentsätzen.

In Deutschland ist der Frühling später dran, noch ist nichts passiert. Aber noch stehen auch die Eisheiligen vor der Tür: Pankratius am 12. Mai, Servatius am 13. Mai, Bonifatius am 14. Mai. Und schließlich und endlich die Kalte Sophie am 15. Mai. Wir befinden uns in der Zwischenzeit, zwischen Winter und Bangen und Sommer in Licht und Freiheit.

In der Zwischenzeit zünden wir Kerzen an und lassen uns nicht bange machen. In der Zwischenzeit hoffen wir, dass schon alles gut gehen wird. In der Zwischenzeit am Nachtfeuer. Martin Reichert

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