Theatertipps der Woche: Die uralte Sehnsucht

Von der Passionsgeschichte über Judas bis zu modernen Unsterblichkeitsmythen: Die Bühnenstreams Deutschlands stehen im Zeichen von Ostern.

Yvan Sagnet und andere Aktivist:innen der Kampagne "Die Revolte der Würde" auf einer Demonstration in Italien

Yvan Sagnet von der Kampagne „Die Revolte der Würde“ in Milo Raus „Das Neue Evangelium“ (Videostill) Foto: Thomas Eirich-Schneider

Nun kommt der Frühling und da bietet sich das Naturschauspiel, welches das Aufbrechen der Knospen, das Herausschießen der Krokusse und Narzissen aus den wintermüden Böden zuverlässig bedeutet, geradezu an. In Zeiten, wo der Zugang zu anderen physischen Bühnen beschränkt ist, erst recht. Der Pilotversuch, Theater unter verschärften Testbedingungen wieder zu öffnen, wurde im Angesicht der Dritten Welle schon wieder abgebrochen. Also nichts wie raus an die Frische. Krokusse blühen in Berlin ja gelegentlich auch auf Verkehrsinseln.

Wer in den langen Lockdown-Monaten dem Draußen schon gänzlich entwöhnt ist, kann auch in diesen Tagen auf das Streamingangebot der Theater in ganz Deutschland zurückgreifen, das den kommenden Osterfeiertagen angepasst ist.

So bieten Milo Rau und das NTGent den Theaterfilm „Das neue Evangelium“ an, der die Passionsgeschichte unter das Zeichen der Gegenwart stellt: Bei Rau spielt der kamerunische Autor und Aktivist Yvan Sagnet die Rolle des Jesus. Die Apostel sind nun Menschen, die vom Mittelmeer anstürmen gegen die Festung Europa.

Schauplatz ist die süditalienische Stadt Matera, wo Pier Paolo Pasolini 1964 seinen Film „Das 1. Evangelium“ drehte. Raus' Film vermischt dokumentarische und fiktionale Elemente, knüpft ein Netz aus Verweisen, Reenactments, realen und symbolischen Ebenen. So entsteht einerseits eine biblische Nacherzählung, andererseits ein Report über die Gegenwart der von Flucht geprägten Region (Milo Rau / IIPM / NTGent: „Das neue Evangelium“, bis 4.4. im Stream des NTGent).

Judas gegen sein Bild

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Das Schauspiel Hannover streamt den Monolog „Judas“ von Lot Vekemans. Die niederländische Dramatikerin lässt den berühmten Verräter seine eigene Verteidigung übernehmen und gegen das Bild anrennen, das seit zwei Jahrtausenden von ihm gezeichnet wird. In der Inszenierung des 1991 geborenen Regisseurs Oliver Meyer wird Judas von einer Frau, nämlich der jungen Schauspielerin Amelle Schwerk gespielt (Schauspiel Hannover: „Judas“, Karfreitag, 2.4., 19:30 Uhr ab 20:45 Uhr; Nachgespräch u.a. mit dem Regisseur auf Zoom).

Hinter dem christlichen Mythos der Wiederauferstehung steht die uralte Menschheitssehnsucht, den Tod zu besiegen. Mit der Digitalisierung geht dieser Traum in eine neue Runde, versprechen künstliche Intelligenzen und Maschinen schließlich neue Formen von Unsterblichkeit. Das Kölner Theater wehr51 hat sich in seinem (von Andrea Bleikamp inszenierten) installativen Abgesang „Virtual Brain – Die Überwindung des Todes“ die Sache näher angeschaut. (Abrufbar via dringbelieben.de).

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