: Asiatischer Poker um US-Abzug
Der Eurasische Staatenbund SCO hofiert trotz des Massakers von Andischan den usbekischen Präsidenten. Russland und China wollen damit US-Rückzug erzwingen
BISCHKEK taz ■ Der frisch gewählte kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew beharrte nach dem sowjetisch anmutenden Wahlsieg auf einer Fristsetzung für den Verbleib der US-Truppen in der USA. „Die Zeit wird zeigen, wie und wann der Abzug beginnt“, sagte Bakijew und wiederholte damit den Beschluss der Staatschefs der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit, SCO, die am 6. Juli in der kasachischen Hauptstadt Astana ein Abzugsdatum von den USA gefordert hatten. Der SCO, einem eurasischen Staatenbund, gehören neben Russland und China die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien an.
Nach dem Massaker von Andischan, als am 13. Mai usbekische Sicherheitskräfte in der usbekischen Provinzstadt wahllos von Panzerwagen aus in eine mehrtausendköpfige Menschenmenge schossen und nach Schätzungen von Human Rights Watch bis zu 800 Menschen töteten, stellten sich die Präsidenten der SCO demonstrativ hinter den usbekischen Präsidenten Islam Karimow. Karimow leugnet bis heute das Massaker und spricht von einer Niederschlagung eines islamischen Aufstandes.
Die SCO ging aus der 1996 gegründete Schanghai-Fünf Organisation hervor, die nach dem Zerfall der Sowjetunion die Grenzstreitigkeiten zwischen China sowie Russland und den zentralasiatischen Anrainerstaaten zu China friedlich regulieren sollte. Schrittweise entwickelte sich der Staatenbund zu einem Bollwerk gegen westliche Demokratisierungsforderung in Zentralasien. Im Juni 2001 trat Usbekistan dieser Organisation bei, nachdem diese sich vermehrt der Terrorismus- und Separatismusbekämpfung verschrieben und sich in SCO unbenannt hatte. Der nach dem 11. September von den USA geführte Antiterrorkrieg in Afghanistan ließ die SCO Aktivitäten zeitweilig verblassen, zumal die USA in Usbekistan und Kirgisien Militärbasen einrichteten. Die zentralasiatischen Diktatoren wie Karimow sonnten sich anfänglich in der neuen Freundschaft zu den USA.
Die Flitterwochen hielten jedoch nicht lange, die Reformunwilligkeit gerade des usbekischen Präsidenten und die notorischen Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan kühlten das Verhältnis zwischen Usbekistan und den USA sichtlich ab. Die SCO bot dem usbekischen Präsidenten ein willkommenes Schutzschild gegen die Reformforderung des Westens.
Auf einem Gipfeltreffen der SCO im Juni 2004 in Taschkent wurde feierlich ein gemeinsames Antiterrorzentrum in Taschkent eingeweiht.
Nach dem Umsturz in Kirgisien im Frühjahr 2005 gerieten Islam Karimow und die übrig geblieben zentralasiatischen Präsidenten regelrecht in Panik und warfen sich China und dem durch Ölboom wiedererstarkten Russland an die Brust.
Chinas Generalsekretär der SCO, Zhang Deguang, würdigte die Bluttat in Andischan im Ferghanatal als erfolgreichen Abwehrkampf gegen den Terrorismus und verwahrte sich gegen westliche Einflussnahme. Der russische und chinesische Präsident stellten sich auf die Seite Karimows und untermauerten dessen Staatspropaganda mit fragwürdigen Geheimdiensterkenntnissen. Kurz nach dem Massaker besuchte Karimow demonstrativ China und Russland. Diese witterten die Chance, die USA aus Zentralasien herauszudrängen, wenn sie Karimows Massaker decken und die restlichen zentralasiatischen Staaten in die Solidarität mit dem usbekischen Präsidenten nötigen.
Auf dem Gipfeltreffen in Astana gingen dann die Staatschef zur offenen Fronde gegen die USA über und forderten deren langfristigen Abzug aus Zentralasien. Die neue Regierung Kirgisiens konnte nicht anders, als sich dem immensen Druck Chinas und Russlands und des mächtigen zentralasiatischen Nachbarn zu beugen und ebenfalls den Abzug der USA aus Zentralasien zu fordern.
MARKUS BENSMANN