heute in bremen: „Die Zuschauer überweisen so viel sie wollen“
Benedict Vermeer 55, ist Schauspieler und Sprachkünstler. Er betreibt gemeinsam mit seiner Frau den Bremer Literaturkeller.
Interview Lukas Scharfenberger
taz: Herr Vermeer, was genau ist das „Herz der Finsternis“?
Benedikt Vermeer: So heißt das Stück, das ich heute aufführe, wobei meine Frau die Regie geführt hat. Es handelt sich um einen Roman von Joseph Conrad, der Ende des 19. Jahrhunderts erschienen ist. Es ist eine autobiographische Erzählung über eine Reise den Kongo hinauf, ins Innere Afrikas. Es ist auch eine Reise ins Innere des Protagonisten. Es ist also durchaus klassische Literatur in faszinierend schöner Sprache. Der Stoff wurde übrigens mehrmals verfilmt. Die bekannteste Adaption ist Apocalypse Now von Francis Ford Coppola.
Was ist das Besondere an Ihren Stücken?
Normalerweise spielen wir in unserem kleinen Theater mit nur 20 Plätzen selbstgeschriebene Adaptionen von Klassikern aus der Literatur. Wir schreiben dabei alle Stücke auf ein oder zwei Rollen um. Im Moment ist aber alles online und da mussten wir die Bewegungen sehr reduzieren, daher spiele ich derzeit alleine.
Wie lief Ihr Theater in der Pandemie?
Die ersten Monate war das Theater geschlossen, im Oktober hatten wir dann mit eingeschränktem Publikum kurz offen. Da durften nur sechs Personen ins Theater. Als der Lockdown im November kam, haben wir dann mit den Livestreams angefangen. Wir sind ganz froh, dass die Möglichkeit besteht. Die Streams laufen auch ganz gut. Manchmal kommen sogar mehr Menschen als früher.
Wie spielt es sich in einem Livestream?
Es ist wie vor einer Filmkamera, das ist natürlich eine Umstellung. Vor allem, weil alles stumm ist. Keine Lacher, keine Zwischenbemerkungen, da herrscht eisiges Schweigen. Die Zuschauer*innen haben ihre Mikrofone ausgestellt, da es sonst zu viele störende Nebengeräusche gibt. Da fällt ein Glas um, da schreit ein Kind im Hintergrund. Erst am Ende kommt dann der Beifall.
Theater-Livestream „Das Herz der Finsternis“: 19 Uhr, Anmeldung unter www.literaturkeller-bremen.de
Sehen Sie auch Vorteile an den Livestreams?
Der Vorteil ist, dass man Menschen erreicht, die nicht mobil sind Wir sind auch in Kontakt mit Altersheimen oder Menschen, die sich abends nicht mehr raustrauen. Und Menschen, die außerhalb von Bremen leben, in anderen Städten oder anderen Ländern. Zum Beispiel waren in den Vorführungen auch Leute aus dem Ausland, die Deutsch studieren.
Womit verdienen Sie da Ihr Geld?
Die Zuschauer überweisen so viel sie wollen und können, das funktioniert auch sehr gut. Die Leute melden sich an. Bisher ist es noch nicht vorgekommen, dass jemand einfach nichts überwiesen hätte.
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