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Mehr Lärm im Westen

Nach der Entscheidung des Alstom-Konzerns für eine Bahnwerkstatt in Oslebshausen kritisiert Die Linke den eigenen Senat. Alternative Standorte bleiben Wohnungen vorbehalten

Von Jan Zier

Der französische Bahn-Konzern Alstom möchte in Oslebshausen eine Bahnwerkstatt bauen. Das hat die niedersächsische Landesregierung verkündet, die 34 neue elektrische Doppelstocktriebzüge bestellt hat, die Bremen und Bremerhaven ab 2024 besser mit dem Nordwesten verbinden sollen. Dafür soll eine neue Werkstatt mit Waschanlage entstehen, von der sich Bremen etwa 100 Jobs erhofft. Trotzdem sorgt das Projekt für scharfen Streit innerhalb der Regierungskoalition.

„Die Ansiedlung der geplanten Bahnwerkstatt in Oslebshausen ist weder alternativlos noch die richtige Entscheidung“ heißt es in einem Beschluss des Landesvorstandes der Linkspartei: „Wir fordern den Senat auf, sich aktiv um einen alternativen Standort zu bemühen.“ Nun ist Die Linke zwar ein Teil jenes Senates. Ihre Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt darf sich aber bisher nicht offiziell äußern.

Denn die Fläche an der Reitbrake gehört der Hafengesellschaft Bremenports – also der Stadt Bremen – und wird vom Häfenressort verwaltet, das die SPD-Senatorin Claudia Schilling führt. Dort reagierte man bisher sehr positiv auf die Pläne: Bremen sei bemüht, Gewerbe- und Hafenareale „aufzuwerten“ und die Bahn zu stärken, hatte Häfen-Staatsrat Tim Cordßen (SPD) verlauten lassen. Noch gebe es aber keine Vertragsverhandlungen, versichert der Behördensprecher. Zuvor müsse die Vergabeentscheidung rechtsgültig werden – bis 8. März können unterlegene Bie­te­r:in­nen noch Widerspruch einlegen. Im anschließenden Genehmigungsverfahren würden „selbstverständlich auch die Interessen der Bür­ge­r:in­nen gewürdigt“, so die Behörde.

Die Linke findet es „inakzeptabel“, dass die Bie­te­r:in­nen überhaupt den Standort bestimmen durften, wie es die Ausschreibung der niedersächsischen Landesverkehrsgesellschaft (LNVG) vorsah. „Es muss politisch geklärt werden, welcher Standort der beste ist“, sagt Landessprecher Christoph Spehr. Gerade für das von Lärm, Verkehr, Müll und Industrie besonders belastete Oslebshausen sei die Entscheidung über die Bahnwerkstatt „von hoher Symbolqualität für eine sozial gerechte Ansiedlungspolitik“, so Spehr. Die Bürgerinitiative Oslebshausen und Umzu (BI) fordert, dass „nun zügig Verhandlungen über alternative Standorte geführt werden“.

Diskutiert werden in diesem Zusammenhang Flächen in Bremerhaven, aber auch solche in Bremen, rund um den ehemaligen Güterbahnhof und die „Oldenburger Kurve“ sowie auf einer von der Bahn privatisierten Fläche in Findorff. Das hätte den Vorteil, dass eine dicht befahrene Strecke von Leerfahrten entlastet würde. So schätzt die BI, dass in den nächsten 60 Jahren Züge bis zu 66 Millionen Kilometer weit, aber eben leer durch den Bremer Westen fahren werden, sollte Alstom sich durchsetzen – je 15 Kilometer vom Hauptbahnhof in die Werkstatt und zurück.

Das Häfen- und das von den Grünen geführte Bau- und Verkehrsressort sind gleichwohl gegen eine Ansiedlung der Bahnwerkstatt in zentralerer Lage. Diese Flächen „sollen langfristig einer städtebaulichen Lösung zugeführt werden, die der innenstadtnahen Lage“ entspricht, heißt es in einem gemeinsamen Bericht beider Ressorts. „Das bedeutet im Klartext: ,Hier soll die Werkstatt nicht hin, weil sich hier höherpreisiger Wohnraum entwickeln lässt‘“, analysiert Spehr. Die Menschen in Oslebshausen sollten dafür mit der Werkstatt belastet werden, weil der Bodenpreis dort niedriger und der Sozialindex schlechter sei. „Diese Vorgehensweise lehnen wir entschieden ab“, so die Linkspartei.

Dabei kann sie sich auf den rot-grün-roten Koalitionsvertrag berufen, der Oslebshausen versprochen hat, dass der Stadtteil von Müll, Verkehr und Lärm „entlastet wird“. Das hat bisher nicht funktioniert, ganz im Gegenteil: Noch in diesem Jahr wird in Oslebshausen eine Klärschlammverbrennungsanlage gebaut, gleich neben einem Wohngebiet.

Für die Wartung müssten leere Bahnen erst 15 Kilometer durch den Bremer Westen fahren

Es gibt auch schon eine Bahnwerkstatt, an der Parkallee in Schwachhausen. Die aber gehört DB Regio. In Zukunft soll die Wartung der Züge laut LNVG aber Aufgabe der Hersteller sein. Was wird dann aus der Bahnwerkstatt? Die wird „vermutlich geschlossen“, sagt die BI. „Der Senat unterstützt damit aktiv die Entsicherung der bisherigen Reparatur-Beschäftigten“, protestiert die Linkspartei – sowohl was die Jobs angehe, als auch was deren Tarifbindung betreffe.

Das niedersächsischen Verkehrsministerium zeigt sich derweil schon begeistert von der Bahnwerkstatt in Oslebshausen: „Die Werkstatt, die Alstom baut, wird eine hochmoderne Anlage, besonders mit Blick auf Umweltschutz und Energieeffizienz“, heißt es in einem Bericht, und dass man „besonders strenge Vorgaben für den Lärmschutz“ gemacht habe. Rangiert werde mit elektrischem Rangiergerät, die Gleisanlagen würden so gebaut, dass das Kurvenquietschen vermieden werde. BI-Sprecher Dieter Winge ist dennoch skeptisch: „Es bleibt ja eine Industrieanlage“ – die An­woh­ne­r:in­nen fürchten massive Lärmbelastungen. Und selbst SPD-Baupolitiker Falk Wagner findet, dass der Standort in Oslebshausen „sensibel nah“ an der Großwohnsiedlung Wohlers Eichen gelegen sei.

Aus Sicht der BI verbietet sich eine Bahnwerkstatt in Oslebshausen noch aus einem anderen Grund: Laut Recherchen des Friedensforums und der BI liegen dort noch die sterblichen Überreste von 116 sowjetischen NS-Opfern. „Bis Kriegsende sind dort nahezu 1.000 zu Tode gemarterte Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter vergraben worden“, heißt es auf einem Mahnmal an dem „Russen-Friedhof“, den es früher an der Reitbrake gab – nur ein Teil dieser Leichen ist später auf dem Friedhof in Osterholz beigesetzt worden. Und die Genfer Konvention sehe eine Umbettung zum Zweck der Erschließung nicht vor, so die Linke. Für das Häfenressort ist der „Russen-Friedhof“ kein Grund, dort auf eine Bahnwerkstatt zu verzichten, auch wenn diese Belange im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen seien, wie der Behördensprecher erklärt. Man habe deshalb die Landesarchäologin um Unterstützung gebeten.

Für die BI ist die Lösung des Konflikts ganz einfach: „Wenn die Häfensenatorin die Fläche nicht verkauft, kann an dieser Stelle nicht gebaut werden kann.“

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