Ärger wegen Atomschrott

Lübeck streitet um Müll vom Rückbau des AKW Brunsbüttel

Die Konflikte fangen mit dem Atomausstieg erst an

Das ist 2021: CDU, SPD und die Grünen-Abspaltung GAL positionieren sich als Atommüll­gegner, während die Grünen die Einlagerung von AKW-Schutt in ihrer Gemeinde als Folgerung aus dem Atomausstieg verteidigen. Diese höchst ungewöhnliche Koalition hat der Rückbau des AKW Brunsbüttel in Lübeck erzeugt. Die AKW-Schrott-Gegner wehren sich gegen eine Zuweisung von 12.500 Tonnen Atomschutt in ihre Restmülldeponie Lübeck-Niemark. Die Schleswig-Holsteinische ­Jamaika-Koalition hatte diese im September 2020 entschieden.

95 Prozent des Schrotts, der beim Rückbau von AKW anfällt, strahlt mit weniger als 10 Mikrosievert. Er wird „freigemessen“ und als unbedenklich eingestuft. In den nächsten Jahren wird eine gigantische Menge solchen AKW-Schrotts in Deutschland anfallen, geschätzte 300.000 bis 500.000 Tonnen. Allein aufgrund dieser Menge wäre eine Deponierung als Sondermüll, wie ihn einige Gegner fordern, kompliziert.

Nun luden die über der Frage zerstrittenen Lübecker Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) ein. Der warb erwartungsgemäß für die Deponierung in der Hansestadt: Der Grenzwert des Atomschutts läge ein Zehnfaches selbst unter dem für Wasser. „Eine Gesundheitsgefährdung ist ausgeschlossen“, versicherte er. Die Gegner bezweifeln das und kritisierten, dass sie vorher nicht ausreichend informiert worden seien. Es folgte eine fast dreistündige Debatte bis unter die Gürtellinie: Albrecht habe so einen „treuherzigen Dackelblick, den nur Robert Habeck übertreffen kann“, polemisierte der CDU-Politiker Burkhart Eymer. Der Minister nahm es gelassen.

Inhaltlich blieb er hart, nahm die Zuweisung nicht zurück. Als Grüner, der einst in der Anti-AKW-Bewegung politisiert wurde, gegen den Willen der kommunalpolitischen Mehrheit solche Entscheidungen zu verteidigen, „macht keinen Spaß“, hatte er den Lübecker Nachrichten gesagt. Aber es bedeute „eben auch, die Verantwortung anzunehmen“. Manche Konflikte sind mit dem Atomausstieg nicht vorbei, sondern fangen dann erst richtig an. Friederike Grabitz