berliner szenen: Ständig irgendwie weg
Der Teenager ist neuerdings häufig mit Bus und Bahn unterwegs. „Wo soll man jetzt sonst auch hin?“ Für Berliner Schüler*innen gibt es ja zum Glück diese Gratistickets. Die bestellt man einmal etwas aufwendig und ausschließlich online. Dann aber gelten sie bis Ende der Schulzeit. Theoretisch.
Jetzt kam er mit zwei Kumpels in eine Kontrolle. „Hatte grad keine Karte dabei“, nuschelt der 14-Jährige beim Abendbrot. Und siehe: Er hat auch gar keine mehr, weil die „irgendwie weg“ ist.
Ich ordne pädagogisch an, dass er sich selbst um eine neue kümmern muss, weil sonst 60 Euro Strafe fällig sind. Wenn man nachweist, dass man eine besitzt, die aber nur vergessen hat, kostet es nur 7 Euro. Am nächsten Tag Anruf im Büro: „Äh, Mama, die wollen eine Bestellnummer. Und eine Bankverbindung.“ Tja.
Ich verlängere online die Bezahlfrist für die 60 Euro Strafe. Dann beantrage ich ein neues Gratis-Schülerticket – für 10 Euro Gebühr. Und als Beweis, dass ein Ticket vorliegt, mache ich aus der Bestellbestätigung ein pdf und lade es hoch.
Kurz darauf kommt ein Brief (!): „Ihr Kind ist ohne gültiges Ticket angetroffen worden.“ Dann ein zweiter: „Zur Bearbeitung benötigen wir das neue Schülerticket.“ Ebenfalls per Post kommt das neue Ticket. Ich fotografiere es und brauche etwa zwanzig Minuten, bis das System es beim Hochladen akzeptiert.
Dann Brief Nr. 4: „Wir akzeptieren Ihre Angaben. Bitte überweisen Sie die Gebühr von 7 Euro.“ Die 10 Euro für das neue Ticket werden abgebucht.
Wir ordnen an, das Ticket künftig abends in die Küche zu legen, damit es nicht wieder verschwindet. Nach einer Woche ist die Karte weg. „Muss irgendwie aus der Tasche gefallen sein“, nuschelt der Teenager. Ich hab gleich mal für 10 Euro ein neues Gratis-Ticket bestellt. Online natürlich. Gaby Coldewey
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