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Heißgetränke inklusiv

Ökologisch, nachhaltig, sozial, fair: Ein Berliner Start-up teilt mit den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung bei Tee und Kaffee die gleichen Werte

Bei einer guten Tasse kommen gute Ideen: Nun wird eine eigene lokale Kreislaufwirtschaft aufgebaut Foto: Alamy/mauritius images

Von Kristina Simons

Sie wollen die Welt ein Schlückchen besser machen: Die drei jungen Gründer Leon Franken, Aron Murru und Sven Bock haben 2018 das KarmaKollektiv ins Leben gerufen – damals noch unter dem Namen KarmaTea. Sechs verschiedene Tees, fünf Kaffeesorten und zwei zuckerfreie Kräutergetränke haben sie inzwischen im Angebot. Alle zu 100 Prozent bio und aus Fairem Handel. Um die Produktion kümmern sich die Mitarbeitenden der Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB). Neben Nachhaltigkeit und fairen Handelsbedingungen ist für Franken und seine Mitstreiter nämlich auch die Zusammenarbeit mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung ein zentraler Punkt. „Das Thema Inklusion war bei uns von Anfang an gesetzt“, so Franken. „Unser Mitgründer Sven leidet selbst unter einer spastischen Lähmung.“

Franken, Bock und Murru kennen sich schon lange, sind nicht nur alte Freunde, sondern auch Gesinnungsgenossen. „Wir wollen der Natur und der Gesellschaft etwas zurückgeben, statt sie nur auszubeuten“, sagt Franken. Deshalb habe er vor ein paar Jahren seinen gut bezahlten Job bei einem großen Hersteller von Energy-Drinks aufgegeben: „Ich hatte dort eine gute Zeit und hab viel gelernt. Doch irgendwann wollte ich etwas mit mehr Sinn machen.“ Deshalb sind sämtliche Rohstoffe nicht nur öko, sondern stammen auch aus Kooperationen und direktem Handel mit kleinen Landwirtschaftsbetrieben. „Wir umgehen weitestgehend Zwischenhändler. Was die sonst an Margen bekommen würden, fließt also direkt an die Bäuerinnen und Bauern.“ Auf der Internetseite karmakollektiv.berlin kann man sich ansehen, welche Projekte unterstützt werden.

Abgefüllt werden die Produkte in Mehrweggläser, wie man sie sonst von Joghurt kennt. Nach Gebrauch können sie in jedem Supermarkt wieder abgegeben werden. „Wir wollten unsere Produkte auf jeden Fall in umweltfreundlichen Verpackungen anbieten, die sich immer wieder nutzen lassen“, betont Franken. Die Mehrweggläser können bis zu 50-mal wiederverwendet werden, dadurch bleiben wertvolle Ressourcen in einem geschlossenen Kreislauf. „Zusätzlich arbeiten wir mit Mehrwegeimern für Kaffeelieferungen, für die Gastronomie und Unverpackt-Läden, um auch hier Plastikmüll zu sparen.“ Als Treiber der Kreislaufwirtschaft wurde das KarmaKollektiv im vergangenen Jahr mit dem Nachhaltigkeitspreis von Neumarkter Lammsbräu ausgezeichnet.

Auch wenn das Team vom KarmaKollektiv versucht, so viele CO2-Emissionen wie möglich zu vermeiden: Ganz geht es nicht. Was durch Laptops, Wasserkocher, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Heizung und natürlich auch beim Transport der Rohstoffe und fertigen Produkte an Emissionen anfällt, ermittelt das Start-up in einem jährlichen Klimabericht und kompensiert es über Wilderness International. Die Stiftung kauft mit den Ausgleichsgeldern Regenwaldflächen, die damit vor Rodung geschützt sind. Zugleich binden die Bäume CO2 und entziehen es so der Atmosphäre.

Tee, Kaffee und mehr

Die Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung kooperieren mit unterschiedlichen Unternehmen. Für hello simple, ein Start-up für Naturkosmetik zum Selberanrühren, verpacken die Werkstatt­mitarbeitenden die Bio-Rohstoffe. Für ShaktiMat verarbeiten und verschicken sie Akupressurmatten. Für die Firma Kiwabo bauen sie Kinderwagenboxen und für die Klettergerüste von Quadro stellen sie die Kupplungen her.

Die Produkte des KarmaKollektivs können online auf der Website www.karmakollektiv.berlin bestellt werden und sind außerdem deutschlandweit in den Filialen von Alnatura sowie in den Berliner denn’s Biomärkten zu finden.

Im Sommer 2019 ist das Start-up ins Zehlendorfer Goerzwerk gezogen – und damit in direkte Nachbarschaft zur BWB. Die ist hier mit ihrem Standort Südwest schon seit mehr als 30 Jahren beheimatet. „Gleich in den ersten Wochen haben wir einfach mal bei der BWB geklopft und gefragt, ob wir dort unsere Flaschen etikettieren lassen können“, erzählt Franken. Aus dem ersten Anklopfen ist inzwischen eine intensive Zusammenarbeit geworden. In großen Metalleimern werden die Rohwaren bei der BWB angeliefert und gelagert, am Neuköllner Standort werden die Tees und Kaffees dann etikettiert und abgefüllt. „Dort haben wir zwei große biozertifizierte Lebensmittelabteilungen und die entsprechenden Kapazitäten“, sagt Benjamin Geron, Regionalleiter Süd-Südwest der BWB. „Für uns ist das ideal“, so Franken. „Die BWB hat die Leute, den Platz und die ganze Infrastruktur, um das alles zu händeln. Wir als kleines Start-up könnten das alleine gar nicht leisten, geschweige denn finanzieren.“ Inzwischen hat das KarmaKollektiv in diverse Maschinen investiert, die von Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen und Behinderungsgraden bedient werden können.

Zusammen mit der BWB baut das KarmaKollektiv auf dem Gelände des Goerzwerks eine eigene lokale Kreislaufwirtschaft auf. „Wir haben hier einen Garten mit Kompost und Bewässerungssystem angelegt“, so Franken. „Nach der Produktion der Erfrischungsgetränke haben wir eine Masse an ausgekochten Bio-Rohstoffen. Die sind wertvolle Nährstofflieferanten und deshalb viel zu schade für den Müll.“ Stattdessen landen sie auf Hochbeeten und Kompost. Im letzten Sommer wuchsen daraus neue Minze, Gemüse und Obst. Die BWB nutzt den Garten als Lernstätte für ihre Auszubildenden.

Vor Kurzem haben Franken, Murru und Bock einen Verein gegründet, um im Bereich Gemeinnützigkeit noch stärker aktiv sein zu können und unabhängige Projekte zu unterstützen. „Wir stehen noch am Anfang, aber Tag für Tag wächst unsere Community und die Chance, etwas zu bewegen.“

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