piwik no script img

Andreas Hergeth verfolgt eine facettenreiche RBB-Diskussion zum Thema „Clan-Kriminalität“„Das lassen wir mal stehen“

Wir müssen reden“ heißt der RBB-Bürgertalk, der live und derzeit coronabedingt ohne Publikum über die Bühne geht und sich am Dienstagabend dem Thema „Clan-Kriminalität“ widmete. Die Sendung ist in der RBB-Mediathek zu sehen. „Wie hilflos ist der Rechtsstaat gegenüber den kriminellen Clans?“ „Wie sehr leidet das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat?“ „Werden arabischstämmige Mitbürger beim Kampf gegen Clan-Kriminalität pauschal diskriminiert?“ So lauten die Fragen.

Eingeladen sind Canan Bayram (Grüne), Ahmed Abed (Linke), Burkard Dregger (CDU) und der RBB-Journalist und „Clan-Experte“ (so steht es in der Pressemitteilung) Olaf Sundermeyer.

Was gleich in der ersten Runde auffällt: Während Moderator Andreas Rausch von Clan-Kriminalität spricht, verwenden die Gäste den Begriff „Organisierte Kriminalität“ – kurz: OK –, auch CDU-Mann Dregger. „Clan“ sei einfach ein anderes Wort für Großfamilie, sagt Sundermeyer. Bayram macht deutlich, dass man nicht „alle Menschen mit bestimmten Merkmalen über einen Kamm scheren“ dürfe, es mit solchen Begriffen aber tue.

Der Moderator wirft das Wort „Generalverdacht“ in die Runde und Ahmed Abed ist an der Reihe. Der Rechtsanwalt lebt in Neukölln und sagt, dass es dort nicht so zugehe wie im Fernsehen, wenn es sich um Clan-Kriminalität dreht. „Ich erlebe das Gegenteil“: Menschen, die Familiennamen aus den der OK zugeordneten Großfamilien trügen, bekämen keinen Job, weil sie in Sippenhaft genommen würden.

Dregger plädiert dafür, „die Realitäten wahrzunehmen“, und sagt, dass niemand unter Generalverdacht stehe – aber das Problem mit der OK eben groß sei. Dazu werden erstaunliche Zahlen präsentiert: 2020 gab es 227 Polizeieinsätze gegen die OK, es wurden 77 Häuser und Wohnungen sowie 76 Luxusautos beschlagnahmt. Der OK den Geldhahn zuzudrehen, wäre das „wirksamste Mittel“, sagt Sundermeyer, und: „Damit ist Berlin Vorreiter.“

Ahmed Abed rechnet vor, was die 227 Polizeieinsätze gegen die OK wohl gekostet haben: Die „rund 46.000 Arbeitsstunden“ der Polizei bei Razzien etc. würden „rund 2,3 Millionen Euro kosten“, während soziokulturelle Projekte in Neukölln um ihre Budgets kämpften.

Und dann erinnert er an die Gefahr, der Menschen wie er durch die Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt sind – und nennt alle Namen der Opfer des Anschlags in Hanau. Niemand wagt, ihn zu unterbrechen – ein höchst empathischer, authentischer Live-Moment, dem der Moderator nach ein paar Sekunden Stille recht hilflos begegnet: „Das lassen wir mal stehen.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen