: Wo ruhig bleiben schwer fällt
Rustikales Zweitliga-Derby zwischen besonderen Rivalen: Hannover 96 schlägt Eintracht Braunschweig 2:1
Von Christian Otto
Ein gut gemeinter Satz, der klang wie ein verbales Foul: „Ich widme diesen Sieg unseren Fans“, sagte Kenan Kocak, als der vielleicht wichtigste Erfolg der Saison vollbracht war. Gerade hatten der Cheftrainer von Hannover 96 und sein Team 2:1 (2:1) bei Eintracht Braunschweig gewonnen. Es war ein Sieg in einem Fußballspiel, das anders als die anderen ist. Denn die ausgeprägte Rivalität zwischen den beiden niedersächsischen Zweitligaklubs hat weder unter der Pandemie gelitten noch am Mangel an Zuschauenden: Im Braunschweiger Stadion war am Samstag gefoult, gemotzt und geschubst worden wie früher. Und so rundete Kocaks Gruß an die 96-Fans ein feuriges Duell ab.
Tatsächlich rein ins Stadion dürfen die Fans derzeit nicht, das verbietet die Coronaverordnung der Landesregierung. Man hätte wetten können, dass sich die rivalisierenden Anhänger trotzdem etwas einfallen lassen. So waren Braunschweiger Fans vor Spielbeginn per Autokorso hupend und Fahnen schwenkend quer durch Hannover gefahren. Nachher begrüßten die 96-Anhänger mit lautenden Gesängen und Pyrotechnik ihr aus Braunschweig zurückkehrendes Team. Wenn sich Braunschweig und Hannover mitten in einer Pandemie duellieren, schafft es eben doch nicht jeder, einfach mal zu Hause zu bleiben.
Hitzig verlief auch die Partie selbst, in die Gastgeber Braunschweig verdient in der 17. Minute mit 1:0 durch Neuzugang Dong-won Ji in Führung gegangen war. Die Gäste aus Hannover träumten in der Anfangsphase, durften am Ende aber jubeln: Valmir Sulejmani (34.) und Kevin Ducksch (36.) sorgten mit ihren Toren dafür, dass wie schon im Hinspiel, einem deutlichen 4:1 für Hannover, ein 96-Sieg gelang.
Hannover auf gutem Weg
Mit dem Erfolg in Braunschweig setzt sich ein Aufwärtstrend fort, der Hannover 96 derzeit noch davon träumen lässt, für eine Rückkehr in die 1. Liga infrage zu kommen. Was Kocak auszeichnet, ist seine Gabe, Ruhe auszustrahlen: Unter seiner Regie spielen die Hannoveraner meist sehr strukturiert. Und dass er in einer Saison gleich zwei Siege gegen Braunschweig ermöglicht hat, wird so manchem Fan wichtiger sein als ein Aufstieg.
Und die Gegenseite? Eintracht Braunschweig hat es im Abstiegskampf schwer: Während des Derbys wurde sichtbar, dass die Mannschaft um Kapitän Martin Kobylanski eher rustikal als filigran spielt. Auch deshalb blieb das Duell mit Hannover 96 dominiert von Fouls – und anschließenden Diskussionen darüber. „Heul’nicht rum, ey“, motzte etwa Eintracht-Profi Patrick Kammerbauer seinen Gegenspieler Dominik Kaiser an. An der Außenlinie hatten sich mit Hannovers Sportdirektor Gerhard Zuber und Peter Vollmann, Geschäftsführer in Braunschweig, gar zwei Funktionäre geschubst.
Was im Stadion nicht möglich war, entlud sich draußen durch Autokorso und Pyro-Zündelei – und in den sozialen Netzwerken: Das Internet war schnell voll von Hass und Häme. „Wir müssen jetzt einfach ruhig bleiben“, sagte Daniel Meyer in der Pressekonferenz zum Spiel. Diesen Satz vom eigenen Cheftrainer wird nicht jeder enttäuschte Eintracht-Fans verstanden haben.
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