RKI fordert schärferen Lockdown

Die Zahl der Coronatoten steigt weiter, auf den Intensivstationen bessert sich die Lage dagegen. Der RKI-Chef drängt auf weniger Kontakte am Arbeitsplatz

Von Malte Kreutzfeldt

Auch rund vier Wochen nach Inkrafttreten des verschärften Lockdowns gibt es noch keine Klarheit, wie sich dieser auf die Neuinfektionszahlen auswirkt. Wegen der verringerten Testzahl und der Meldeverzögerungen über die Feiertage seien die Zahlen „immer noch nicht einfach zu interpretieren“, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, am Donnerstag.

Die Zahl der neu gemeldeten Coronatoten erreichte mit 1.244 einen neuen Tageshöchstwert. Der Mittelwert über 7 Tage stieg auf knapp 900 Tote pro Tag, ebenfalls ein neuer Höchststand. Bei den Todesfällen gibt es aber größere Verzögerungen, sodass Effekte des Lockdowns hier zum jetzigen Zeitpunkt allenfalls teilweise zu erwarten wären.

Bei den täglich gemeldeten Neuinfektionen lag das 7-Tage-Mittel am Donnerstag bei rund 20.500 – etwa 25 Prozent mehr als vor einer Woche, aber 20 Prozent weniger als beim bisherigen Höchststand vor drei Wochen. Wirklich aussagekräftig sind diese Vergleiche derzeit aber nicht, denn die Zahl der durchgeführten PCR-Tests lag auch letzte Woche noch rund 20 Prozent niedriger als vor Weihnachten.

Am verlässlichsten dürften momentan die Angaben von den Intensivstationen sein. Dort war die Zahl der behandelten Coronapatient*innen zuletzt rückläufig: Mit 5.125 liegt sie aktuell 11 Prozent niedriger als beim bisherigen Höchststand am 3. Januar. Auch die Zahl der neu aufgenommen Coronapatient*innen nimmt ab.

Die jüngste Entwicklung auf den Intensivstationen sei „ein schönes Zwischenergebnis“, sagte RKI-Präsident Wieler, aber keinesfalls ein Grund zur Entwarnung. Insgesamt sehe es nach einer Stabilisierung der Fallzahlen aus, aber noch nicht nach einem Rückgang.

Gleichzeitig wächst auch im RKI die Sorge vor der neuen, zunächst in Großbritannien nachgewiesenen Virusmutation, die deutlich ansteckender ist. Laut Wieler wurden in Deutschland bisher 16 Infektionen mit der neuen Variante nachgewiesen, die in allen Fällen Reisende aus Großbritannien betrafen. Sehr aussagekräftig ist auch diese Zahl aber nicht, denn bisher wird nur vereinzelt nach dem neuen Virus gesucht: Im ganzen Dezember fanden laut Wieler nur 200 bis 250 genetische Analysen des Virusmaterials statt. Inwieweit die Infizierten weitere Menschen angesteckt haben, blieb offen. Darum sei bisher nicht abzuschätzen, wie stark die britische Variante und eine weitere aus Südafrika das Infektionsgeschehen in Deutschland bisher beeinflussen. „Sie könnten sich aber auch hier durchsetzen und zu noch mehr Fällen in kürzerer Zeit führen“, warnte Wieler.

Der RKI-Präsident drängt darum auf eine weitere Verschärfung des Lockdowns. Vor allem müsse Homeoffice in weitaus stärkerem Maß umgesetzt werden. Es gebe viel zu viele Betriebe, in denen die Mitarbeitenden noch im Büro aufeinanderträfen, obwohl sie auch von zu Hause arbeiten könnten. „Wir brauchen noch mehr verantwortungsvolle Arbeitgeber“, sagte Wieler. Zudem appellierte er an die Bevölkerung, noch stärker auf Reisen zu verzichten. Datenauswertungen zeigten, dass die Mobilität während des ersten Lockdowns im Frühjahr deutlich stärker gesunken ist als während der derzeitigen Beschränkungen. „Bleiben Sie zu Hause, wann immer möglich“, sagte er.

Fortschritte gibt es derweil beim Impfen: Die Zahl der täglich gespritzten Dosen erreichte am Mittwoch mit knapp 80.000 den bisher höchsten Wert. Insgesamt haben laut RKI bisher rund 842.000 Menschen die erste Impfdosis erhalten, also rund 1 Prozent der Bevölkerung.