Bernd Pickert über das Impeachmentverfahren gegen Trump
: Riskante Hoffnung

Wie erwartet hat das US-Repräsentantenhaus am Mittwochabend eine Anklage gegen Noch-Präsident Donald Trump wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ verabschiedet. Er ist damit der erste Präsident der US-Geschichte, der sich gleich zweimal mit einem Impeachmentverfahren auseinandersetzen muss. Das ist wohlverdient angesichts einer Präsidentschaft, die sämtliche Regeln der demokratischen Auseinandersetzung und des Anstands missachtete. Dennoch: So richtig der Reflex ist, Trump für seine Rolle beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar zur Verantwortung zu ziehen, so zweifelhaft ist das Vorgehen.

Denn das Impeachmentverfahren, zu dem die deutsche Verfassung keine Entsprechung kennt, verwandelt ein politisches Gremium in ein juristisches. Aus Abgeordneten und Sena­to­r*in­nen werden Anklage, Verteidigung und Gericht. Eine ausschließlich auf die Organisation politischer Macht ausgerichtete Institution verkleidet sich als unabhängige Justiz. Das ist ohnehin zweifelhaft, bedingt aber zumindest, wenn nicht rechtsstaatliche Grundsätze noch weiter ausgehebelt werden sollen, andere Verfahrensstandards als etwa die Debatte über eine Resolution oder einen Gesetzentwurf.

Weil aber Trump ohnehin nur noch eine Woche im Amt ist, preschte die demokratische Mehrheit unter Umgehung der üblichen Verfahren, Zeugenaussagen im Justizausschuss, Einholung von rechtlicher Expertise und intensiver Debatte, direkt zur Abstimmung.

Das haben beim ersten Impeachmentverfahren 2019 die Republikaner im Senat fast genauso gemacht, um die Anklage schnell niederzustimmen – und beide Vorgehen verschärfen noch einmal die Schwächen des Prozesses. Denn weil es eben politische Mehrheiten und nicht rechtliche Bewertungen sind, die den Ausgang bestimmen, hat die Entscheidung niemals die Autorität des Urteils einer unabhängigen Justiz. Kommen dann noch zweifelhafte Verfahrensweisen hinzu, leidet genau das, was eigentlich verteidigt werden soll: das Vertrauen in demokratische ­Institutionen.

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