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Immer mehr haben immer weniger

Bremen soll die Schuldnerberatung ausbauen, damit Soloselbständige, Künst­le­r*in­nen und Studierende von ihr profitieren können, fordern die Regierungsfraktionen. Bezahlen soll das am besten der Bund

Von Jan Zier

Bremen soll mehr Kapazitäten für die Schuld­ne­r*in­nen­be­ra­tung schaffen. Das fordert ein Dringlichkeitsantrag der drei Regierungsfraktionen vom rot-grün-roten Senat. Der aktuelle Schuldenatlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform für Bremen und Bremerhaven zeigt, dass in beiden Kommunen zusammen etwa 80.000 Menschen überschuldet sind. Zugleich verzeichnet etwa die Schuldnerberatung in Bremerhaven durch die Coronakrise eine weiter wachsende Zahl von Anfragen, sagte die Leiterin der AFZ Schuldner- und Insolvenzberatung in Bremerhaven, Sandra Dunker, dem Weser-Kurier.

SPD, Grüne und Linke in der Bürgerschaft möchten das Beratungsangebot nun auch auf Soloselbständige, Künst­le­r*in­nen und Studierende ausweiten, die in der Pandemie ihren Nebenjob verloren haben. Außerdem soll die Landesregierung eine Bundesratsinitiative starten – mit dem Ziel, Bundesmittel für die präventive Schuld­ner*innen­­beratung zu bekommen. Denn die ist bisher eine freiwillige Leistung der Kommunen.

In Bremerhaven gebe es momentan eine Warteliste mit mehr als 40 Fällen. „Wir haben tagtäglich Nachfragen nach Beratung – zwischen fünf und zehn“, sagt Dunker. Deshalb solle der Senat nun ein Konzept dafür vorlegen, „wie die bereits bestehende hohe Nachfrage abgedeckt werden kann“. So steht es in dem Antrag, der auch eine bessere Vergütung der Schuldnerberatungsstellen fordert.

Bei der Beratungsstelle in Bremerhaven melden sich Dunker zufolge derzeit insbesondere Menschen, die durch Kurzarbeit oder Jobverlust Einbußen verzeichnen müssen. „Im vergangenen Jahr sind sie deshalb in die Bredouille geraten. Darlehen sind dann plötzlich nicht mehr zu bezahlen.“ Das beobachte die Schuldnerberatung gerade im zweiten Lockdown, weil sich die Lage für die Menschen nicht wirklich entspannt habe. Gerade sei vermehrt ein Anteil an Studierenden in der Beratung, denen der Nebenjob weggebrochen sei: „Jetzt wissen sie nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen können.“

Auch Dunker fordert einen Ausbau der bestehenden Angebote für Schuldner*innen: „Eigentlich könnten wir noch mehr Beratung gebrauchen. Wir müssen aufpassen, dass uns das Problem Verschuldung nicht entgleitet“, sagt sie. In naher Zukunft werde es noch zunehmen. Sie wünsche sich, dass sich Betroffene rechtzeitig Hilfe suchten, bevor Inkassogebühren entstünden, so Dunker. Schulden seien aber noch immer ein Tabuthema. Laut Creditreform sind allein in Bremerhaven knapp 21,8 Prozent der Erwachsenen überschuldet. (mit Material von epd)

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