Mehr Dreck für Gröpelingen

Nur 250 Meter ist die geplante Klärschlammverbrennungsanlage in Oslebshausen von einer Wohnstraße entfernt. Ein Runder Tisch soll sich Sorgen anhören – dass die Anlage kommt, steht fest

Sieht nachts ein bisschen industrieromantisch aus: Klärschlammverbrennungsanlage in Stuttgart Foto: Wikimedia Commons

VonLotta Drügemöller

Noch in diesem Jahr soll sie gebaut werden, ab Januar 2022 in Betrieb gehen – die Kenow, die „Klärschlammentsorgung Nordwestdeutschland“ in Oslebshausen. Für sie sprechen einige Argumente: Der olle Schlamm aus den Kläranlagen kommt nicht länger auf die Äcker und belastet so das Grundwasser nicht mehr mit Nitraten. Mit der Verbrennung wird Strom erzeugt und Wärme – „nahezu klimaneutral“, wirbt die SWB. Und die anfallende Asche? Die wird aufbewahrt und irgendwann, in noch ungewisser Zukunft, aufbereitet, um ihr den wertvollen Phosphor zu entziehen.

Bei der Bürgerinitiative „Oslebshausen und umzu“ (BI) allerdings ist man nicht ganz so überzeugt vom Sinn der Anlage. Verbrennung, und damit auch die Verbrennung von Klärschlamm, sei „Steinzeittechnologie“, meint Sprecher Dieter Winge. Phosphor könne man mit anderen Technologien auch direkt im Klärwerk gewinnen, ohne weite Transporte von Klärschlamm.

Vor allem ein Aspekt stört die Bürgerinitiative: Wenn der Schlamm schon verbrannt werden soll, warum dann gerade in Oslebshausen? Nur 250 Meter ist der Standort der geplanten Anlage von der nächsten Wohnbebauung entfernt. Sorgen machen sich Teile des Beirats und die BI um mehr Lärm, um mehr Verkehr, um mehr Dreck auf den Straßen und in der Luft.

Noch mehr, heißt es aus Sicht der BI. Denn Oslebshausen sei insgesamt hoch belastet: Viele Be­woh­ne­r*in­nen sind arm, im Industriegebiet haben sich müllverarbeitende Betriebe angesiedelt, laut Beirat leidet der Ortsteil schon jetzt stark unter und Lärm.

Die BI hat Widerspruch gegen die Genehmigung eingelegt; große Hoffnung auf einen Stopp des Baus gibt es aber nicht – die Bauarbeiten haben schon begonnen. „Wenn wir Glück haben, dann werden noch ein paar Verbesserungen bei der Anlage vorgeschrieben“, sagt Winge. Ein Gutachten, das die BI in Auftrag gegeben hat und das diese Woche fertiggestellt wurde, zeige, dass sich die genehmigte Anlage nicht am Höchststand der Technik orientiere.

Zwischen den Parteien ist die Klärschlammverbrennungsanlage nicht ganz unumstritten; im Koalitionsvertrag gibt es kein Bekenntnis zur und keine Absage an die Anlage – man verweist stattdessen auf das Bundesgesetz: „Eine Klärschlammmonoverbrennungsanlage (…) muss auf bundesgesetzlicher Grundlage genehmigt werden, wenn die technischen und umweltrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind“, heißt es dort auf Seite 22. Auch das Bau- und Umweltressort zeigt sich auf Anfrage mit gebundenen Händen: „Die Stadt hat da keine Handhabe“, sagt Sprecherin Linda Neddermann.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass zumindest die ressortführenden Grünen die Vorteile der Anlage hoch schätzen. Auch die SWB hatte den Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage gefordert: „Für SWB ist die Kenow ein wichtiger Teil des Konzepts zum Kohleausstieg“, heißt es auf der Webseite. Schließlich werden über das Kohlekraftwerk bisher viele Haushalte nicht nur mit Strom, sondern auch mit Fernwärme versorgt. Wenn diese wegfällt, braucht es Ersatz.

In Oslebshausen haben die Leute nur wenig Hoffnung auf Entlastung

Hinter der Entscheidung steckt also nicht nur die verwaltungstechnische Pflicht, sondern auch eine politische Entscheidung. Schließlich hätte die Ansiedlung durch andere Bebauungspläne verhindert werden können: Der Beirat Gröpelingen hatte 2018 gefordert, dass in wohnortnahen Bereichen des Industriegebiets am Hafen künftig nur noch nichtstörendes Gewerbe angesiedelt werden sollte. Das Bauressort entschied sich dagegen: Zu sehr würde mit einer solchen Vorgabe der Hafenbetrieb eingeschränkt.

Dem Eindruck, die Bevölkerung werde nicht gehört, wird nun mit einem Runden Tisch begegnet: Innerhalb der nächsten drei Monate sollen Gespräche starten. Das Ziel sei, so heißt es im Antrag der Regierungsfraktionen, der am Dienstag in der Bürgerschaft beschlossen wurde, den Ortsteil durch Maßnahmen in den Bereichen Müll, Verkehr und Lärm zu entlasten. Geplant sind etwa Stationen, an denen Lärm- und Luftverschmutzung gemessen werden sollen.

Der Runde Tisch war vom Beirat Gröpelingen und der Bürgerinitiative gefordert worden. Viel Hoffnung setzt Winge nicht in die versprochene Entlastung des Stadtteils an anderer Stelle: „Vielleicht würde ich mehr erwarten, wenn nicht vor kurzem auch noch die Bahnwerkstatt nach Oslebshausen geplant worden wäre“, sagt er. „Viele Mitglieder sind jetzt sehr skeptisch.“