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Ob das eine gute Idee war?

„Alles muss raus“, unter diesem mehrdeutigen Titel verfrachtet die Galerie Weißer Elefant in der Auguststraße die Kunst nach draußen in die Schaufenster, die Toreinfahrt und in den Hof

Fotoplakate von Laure Catugier im Innenhof der Galerie Foto: Galerie Weißer Elefant

Von Katrin Bettina Müller

Er fliegt hoch in die Luft und sinkt herab. Er springt und springt, der Mann im Anzug und mit Krawatte, dreht sich in der Senkrechten einmal um seine Achse und schlägt doppelte Saltos. Lange kann man diesem Trampolinspringer zuschauen in dem Video von Mariana Vassileva, das im Hinterhof der Galerie Weißer Elefant auf eine Brandmauer projiziert wird. Wo der helle Putz angegraut ist, erscheint das wie Wolken im Videobild, zwischen denen der Springer hochschnellt.

Die deutsch-bulgarische Künstlerin hat damit ein Sehnsuchtsbild geschaffen von Leichtigkeit, von Zeitvergessenheit, vom Aufbruch ins Ungewisse. Der Artist, der das Outfit eines Büroangestellten trägt, springt aus der Gegenwart und einem definierten Sein weg ins Reich der Fantasie.

Dieser Beitrag tut der Seele gerade gut. Er ist Teil der Ausstellung „Alles muss raus“ der Galerie Weißer Elefant, an der mehrere Künstler:innen, die in der Galerie in letzter Zeit ausgestellt haben, Arbeiten im Hinterhof, an der Fassade zur Auguststraße und im Durchgang zeigen. Natürlich ist die Pandemie und die Schließung des Einzelhandels, zu der auch Galerien gehören, Hintergrund dieser Idee. Auch beim Weg zur Ausstellung wird man daran erinnert. Im Haus daneben, Auguststraße 20, ist eine Coronateststation eingerichtet, dort wo sonst die Galerie DNA Berlin ihre Kunst zeigt. Davor stehen Leute mit Masken und Abstand Schlange. An ihnen vorbei dann doch zu einem Kunstprojekt zu gehen, ist gespenstisch.

Die französische Künstlerin Laure Catugier lebt meistens in Berlin, war zuletzt aber Gast in Alexandria, im Institut Francais. Harte Schatten und helles Licht prägen die großen Fotocollagen, die von ihr an einer Mauer im Hof hängen. Es ist eine labyrinthische Verschachtelung von Architekturmotiven, Treppen, Balkonen, Mauern, die von spitzen Schatten geometrisch geteilt werden. Draußen ist der Ort, an dem Laure Catugier ihre Motive findet, sie erkundet im Stadtbild die Besetzung des Raums und der Leere. Es ist ein verschlüsselter Raum, abweisend und ohne Botschaften, den sie in einem grafischen Spiel aus Geometrien neu zusammensetzt. Die Stadt ihrer Bilder ist steinern und menschenleer und das hat gerade jetzt auch etwas Bedrückendes.

Im Durchgang zum Hof sind vier kleine Elemente angebracht von Julia Krewani, kleine Motoren mit einem taschentuchgroßen Stück Stoff. Sie setzen sich, kommt Besuch, in Bewegung, winken teils enthu­siastisch, teils etwas schlapp. Sie sind nicht schlecht als Spiegel der eigenen Energie zu lesen, die zwischen dem ­Gedanken, sich trotz allem auf den Weg gemacht zu haben, und dem Zweifel, ob das eine gute Idee war, hin und her schwankt.

Vassileva gelang ein Sehnsuchtsbild von Leichtigkeit und Zeitvergessenheit

Man hört viel weniger Geräusche als sonst. Fast keinen Autoverkehr. Vertraut klingt an diesem Ort aber der Laut, wenn Füße auf den Ball treten vom Sportplatz gegenüber. Und das Krächzen der Krähen, die den Hof überfliegen. Eigentlich sollte eine Soundinstallation dazukommen, die die Lichtzeichnung von Aurelie Pertusot begleitet, die nach Einbruch der Dämmerung in einer Ecke der Backsteinfassade sichtbar wird. Sie schreibt der umbauten Ecke verschieden geneigte Ebenen ein. Aber während meines Besuchs war der Sound noch nicht zu hören.

Die beste Zeit, hier vorbeizugehen, ist die Dämmerung, dann läuft auch die Videogalerie von Tim und Caspar Trantenroth in einem Fenster zur Straße hin. „Alles muss raus“ versucht, Corona eine lange Nase zu zeigen, unter Wahrung von Abstandsregeln und Begegnungsvermeidung. Man kann das Bedürfnis der Künstler:innen, auch in dieser Zeit weiterzumachen, gut verstehen, und der Versuch, Formate zu finden, die sich an die Bedingungen der Coronaregeln anpassen, verdient Anerkennung.

Trotzdem merkt man den Versuchen, der Situation ein Schnippchen zu schlagen, auch die Verzweiflung an beziehungsweise die Verengung des Handlungsspielraums. So etwa bei den zwei Fenstern zur Auguststraße hin, die sich vermummt und grüne Masken angelegt (Stefan Rummel und Anja Gerecke) haben, sichtbares Zeichen der Beschränkung der Kommunikation. Mehr als ein Gag ist das nicht.

„Alles muss raus“, bis 21. Fe­bruar, Mo.–Fr., am besten zwischen 16 und 18 Uhr

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