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„Und dann kam Corona“

Protokolle aus der Pandemie IV: Die neue Kneipengenossenschaft „Horner Eck“ war gerade bereit zum Durchstarten. Warum das Team optimistisch bleibt, erklärt Aufsichtsrat Cornelius Runtsch

Cornelius Runtsch

25, ist Aufsichtsrat der Horner Eck eG, deren 35 Genoss*innen die Eckkneipe im Bremer Viertel betreiben. Im Lockdown bewährt sich das Modell, weil es die finanziellen Lasten verteilt.

Protokoll Mahé Crüsemann

Wenn es wieder losgehen kann, dann geht es wieder los, wir sind total bereit. Bisher sind wir echt gut durchgekommen. Da spielen viele verschiedene Sachen rein. Von letztem Jahr, was ja ein ganz normales Geschäftsjahr war und wirklich fantastisch lief, hatten wir einen Puffer. Zusätzlich haben wir auch die Corona-Soforthilfen bekommen. Das ist weniger, als es hätte sein können und „sofort“ kamen die Hilfen auch nicht. Andere Läden ohne Puffer sind bereits an dem Punkt ins Straucheln gekommen. Unser Modell der Genossenschaftskneipe hat uns aber sicherlich vor dem Schlimmsten bewahrt. Wir haben durch Corona nicht endgültig zu machen müssen und wir planen es auch nicht.

Als 2018 der alte Kneipenwirt vom „Horner Eck“, der Kneipe unter meiner ehemaligen WG, seine letzte Schicht hatte, war der Laden erst mal ein paar Wochen leer. Wir haben uns gedacht: Wir möchten das retten. Wir, also die WG oben drüber, haben dann ein, zwei Nachbarschaftsabende veranstaltet, haben Leute eingeladen und gesagt: Hey, wir würden das gerne irgendwie weitermachen, hat da jemand Interesse zu helfen? So hat sich dann unsere Gruppe gefunden.

Dann haben wir nach der richtigen Rechtsform gesucht. Wir sind heute eine Genossenschaft. Das kommt aus diesem sozialistischen Gedanken der Arbeiterbewegung: kein Privateigentum und es ist nicht einer Chef, dem alles gehört, sondern es ist durchdemokratisiert: Alle Leute haben Anteile – sowohl die, die arbeiten, als auch die, die konsumieren, also trinken in unserem Fall. Weil wir uns die Zeit nehmen wollten, uns als Genossenschaft zu finden, haben wir gesagt: Wir wollen und müssen den Laden jetzt aber aufmachen, relativ zeitnah. Für die Zeit, wo wir noch keine Genossenschaft waren, brauchten wir eine GeschäftsführerIn – als Übergangszeit. Das hat damals Kira Sackmann gemacht. Sie war sozusagen über ein Jahr die Geschäftsführerin und hat das Risiko auf ihre Schultern genommen.

Es hat lange gedauert, bis wir alles so hatten, dass es uns gefällt – obwohl wir uns damals wie heute jede Woche zum Plenum getroffen haben. Darum kam es erst im Juni 2019 zur Genossenschaftsgründung. Es war dann einfacher, das Geschäftsjahr noch mit Kira als Geschäftsführerin zu Ende zu machen, sodass zum Jahr 2020 die Genossenschaft sozusagen „einzieht“ ins ­„Horner Eck“ und Kiras Einzelunternehmen sich auflösen kann. Wir waren im Februar vergangenen Jahres dann fertig. Die Genossenschaft war ready to go. Und dann kam Corona.

Der 15. März war der Moment, als wir zugemacht haben. Zwei Monate war Lockdown. Anfang Mai haben wir dann einen kleinen Außer-Haus-Verkauf gestartet, weil viele Leute uns vermisst haben und einsam waren. Als wir Mitte Mai wieder aufmachen konnten, gab es recht strikte Bestimmungen. Das ist auch nicht grundsätzlich verkehrt gewesen, es hat nur letztlich den Kneipenbetrieb, nach unserem Kneipenbegriff, so gut wie verunmöglicht.

Teil des genossenschaftlichen Gedankens ist: Bei einer Konsumgenossenschaft, wie wir eine sind, sind nicht nur die Leute, die da jetzt wirtschaften und arbeiten, Teil der Genossenschaft und haben einen Genossenschaftsanteil – und demokratisches Stimmrecht –, sondern auch die NutzerInnen, also vor allem die Stammgäste. Wir wollten eben nicht nur 12 Leute sein, die jetzt untereinander solidarisch sind und eine Kneipe betreiben, die die Stammgäste so hinnehmen und akzeptieren müssen. Gerade eine Stammkneipe ist ja durchaus etwas sehr Intimes, ein erweitertes Wohnzimmer. Also sollten auch Stammgäste die Möglichkeit haben, einen Anteil an der Genossenschaft zu erwerben, um dann demokratisch mit einwirken zu können.

Wir können das alle nur hobbymäßig machen und nebenbei. Aber nichtsdestoweniger könnte es keiner von uns komplett alleine machen. Diese Form der Genossenschaft hat uns die Möglichkeit gegeben, das zu stückeln, so, dass wir das alle als Nebenberuf machen können und dass aber auch niemand als Privatperson im Falle einer Insolvenz dafür hinhalten muss.

Genossenschaften gibt es schon so 150 Jahre etwa. Das war eine Idee der ArbeiterInnenbewegung ab dem 19. Jahrhundert. Die ist sogar immaterielles Unesco-Welterbe. In den letzten Jahren sind Genossenschaften sogar wieder im Kommen, da die Leute sich fragen, wie man solidarisch wirtschaften kann. Die Gastronomie und gerade so eine genossenschaftliche Kneipe wie das „Horner Eck“ ist da aber noch etwas sehr Sonderliches.

Dass es das „Horner Eck“ als Genossenschaft gibt, ist echt eine Verquickung von glücklichen Umständen: Der Vermieter hat uns die Bar gegeben, ohne dass wir eine große Ablöse zahlen mussten. Wir kannten uns ja von unserer Wohnung oben drüber. Mit ein bisschen Kaution und der ersten Monatsmiete, die wir zusammengestottert haben, konnten wir direkt anfangen zu wirtschaften. Das ist natürlich der totale Glücksgriff gewesen.

Im Sommer haben wir mit Außenbestuhlung und Masken und Desinfizieren ohne Ende das Geschäft so gut gemacht, wie es eben ging. Unsere Gäste waren total nett und kooperativ, wir mussten nicht rumdiskutieren, alle haben sich sehr vernünftig verhalten. Ja, klar, es war irgendwie anstrengend. Aber es gab auch wirklich schöne Abende. Wir dachten, wenn das jetzt „das neue Normal“ ist, bis ein Impfstoff da ist, dann ist das total erträglich. Dann kam aber der Herbst. Seit November ist jetzt eben alles zu. Uns war dann relativ schnell klar, dass wir 2020 nicht mehr aufmachen würden.

Wir haben vor, wenn es dann irgendwann wieder geht, jeden Monat einen Stammtisch zu machen für alle GenossInnen, wo dann eine oder einer vom Vorstand oder vom Tresenteam berichtet, wie es aussieht und fragt: Seid ihr zufrieden, wie es läuft? Habt ihr Wünsche? Das wäre dann das informelle Mitbestimmungsrecht, das ein bisschen Inklusivität schaffen soll. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir das schaffen werden.

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