: Aufführung fürs Fernsehen
Beim Spiel zwischen dem VfL Wolfsburg und RB Leipzig zeigt sich, dass der VfL bis zur Spitze noch viele Hürden überwinden muss. Aber sie haben die Sachsen trotzdem geärgert
Von Christian Otto
Eigentlich hätten sie laut jubeln müssen. Ein 2:2 gegen ein ambitioniertes Team wie RB Leipzig müsste die Profis des VfL Wolfsburg mächtig stolz machen. Aber das Remis zwischen den beiden von Konzernen gesteuerten Vereinen zeigt eines deutlich auf: Den Wolfsburgern, die 2009 Deutscher Meister waren, stehen bei der Rückkehr an die vordersten Tabellenplätze der Fußball-Bundesliga noch zu hohe Hürden im Weg.
Der Abstand zu den Branchengrößeren aus München, Dortmund und Leipzig ist groß geworden. „Die Mannschaft spürt, dass wir in vielen Phasen mithalten können. Dieses Gefühl möchten wir auch mal schwarz auf weiß sehen und solche Spiele gewinnen“, sagt Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner.
In der Tabelle steht Wolfsburg aktuell auf Rang 6. Das ist eine Platzierung, die zum Budget eines Vereins passt, dessen Hauptsponsor und Eigner Volkswagen ist. Aber was genau ist das Ziel des VfL, der in den vergangenen Jahren extrem viel Geld investieren durfte und mittlerweile sparsamer agieren muss?
„Die Europa League wäre wünschenswert. Die Champions League wäre sehr dankbar“, sagt Jörg Schmadtke. Der Geschäftsführer der VfL Wolfsburg Fußball GmbH verantwortet eine Strategie, die sich verändert hat. Wer weniger Geld ausgibt und lieber auf entwicklungsfähige Spieler setzt, läuft im Profifußball Gefahr, rechts überholt zu werden. Genau das ist im Wettrennen zwischen Wolfsburg und Leipzig passiert.
Die unterschiedlichen Ansprüche waren auch bei dieser Begegnung sichtbar – zum Beispiel beim Auftreten der Trainer. Julian Nagelsmann, 33 Jahre jung, gilt als extrem ambitionierter, bei der Konkurrenz begehrter Trainer. Wenn er von der Seitenlinie aus die Leipziger Mannschaft dirigiert, signalisieren seine Körperhaltung und laute Ansprache: Hier möchte einer die Fußball-Welt erobern.
„Das Unentschieden in Wolfsburg ist kein Mega-Beinbruch, aber wir haben Punkte liegen lassen. Denn wir hatten genug Chancen für drei bis vier Spiele“, sagte er nach der Partie.
Glasner geht seinen Job ruhiger und sachlicher an. Das strahlte er auch während des Spiels aus, das sich zunächst nicht sonderlich gut für den VfL entwickelte.
Nordi Mukiele hatte Leipzig früh in Führung gebracht. Es folgten allerdings gleich zwei Wolfsburger Tore von Stürmer Wout Weghorst zum 1:1 und Mittelfeldspieler Renato Steffen zum 2:1. Für die Leipziger glich dann Willi Orban aus. Was insgesamt Applaus verdiente hatte, blieb ohne Zuschauer im Stadion eine schöne Aufführung für das Fernsehen.
Im direkten Duell waren die feinen Unterschiede schön zu beobachten. Der aktuelle Erfolg der Wolfsburger ist vor allem durch eine gute Spielstrategie und Willen zu erklären. Bei den Leipzigern, die sich auf höherem Niveau etabliert haben und es bis in die Champions League geschafft haben, wird das Spielsystem von Nagelsmann durch die individuelle Klasse mehrerer herausragender Profis ergänzt.
Im Grunde müsste der VfL Wolfsburg dankbar dafür sein, dass es einen Emporkömmling wie die Leipziger in der Liga gibt. Sie lenken mit ihrer Wucht und der Unterstützung durch Red Bull viel Aufmerksamkeit auf sich. Den Neid und den Spott bekommen sie gratis dazu. Was die Hierarchie in der Liga angeht, ist der VfL Wolfsburg im Kräftemessen mit RB Leipzig inzwischen eher der Außenseiter.
Er hat den Sachsen aber mit dem hart erkämpften Remis den Sprung an die Tabellenspitze verbaut. Und die Liga staunt darüber, dass Wolfsburg auch nach 16 Spieltagen im eigenen Stadion noch ungeschlagen ist.
Seit Juni 2018 hört der VfL Wolfsburg auf das Kommando von Schmadtke. Er versucht, eine gewisse Gelassenheit auszustrahlen und die Erwartungen an den Verein zu bremsen. Wenn es Wolfsburg erneut bis in die Europa League schafft, wäre das Soll erfüllt. Falls es nicht bis in die Champions League reicht, wäre das kein großes Drama. Damit scheint Verein ganz gut zu fahren.
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