die woche in berlin
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Die Initiative Deutsche Wohnen enteignen will wieder Unterschriften sammeln – richtig so! Die 15-Kilometer-Reisebeschränkung ist für Berlin reine Symbolpolitik, die nur zu überfüllten Parks führen wird. Und: Der Senat will „Kinder mit Lernrückständen“ beim Homeschooling unterstützen – er sollte dafür endlich mal Internet in allen Flüchtlingsunterkünften bereitstellen.

Enteignen
ist nichts
für die SPD

Initiative sucht keinen Konsens mehr mit Rot-Rot-Grün

Angesichts dieser düsteren Pandemiezeiten tut es gut, mal grundsätzlich positiv zu denken. Also: Es ist ein Erfolg, dass zwei Drittel der rot-rot-grünen Koalition sich mit der Initiative Deutsche Wohnen und Co wohl hätten einigen können, bevor deren Volksbegehren in die entscheidende Phase geht. Zu Beginn der Legislatur vor vier Jahren – das E-Wort war damals auch in vielen linken Kreisen noch als utopisch verpönt – wäre ein so breiter Konsens mehr als fraglich gewesen.

Und um weiter positiv zu bleiben: Natürlich hat die Initiative alles richtig gemacht, als sie sich Anfang der Woche dennoch entschieden hat, den Volksentscheid anzustreben. Ab 25. Februar sollen Unterschriften gesammelt werden; innerhalb von vier Monaten müssen es mindestens 175.000 sein, damit es parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl Ende September zur Abstimmung über das durchaus revolutionär zu nennende Projekt kommen kann.

Dass eine wie auch immer geartete Einigung mit der Koalition nicht zustande kam, hat vor allem mit der SPD zu tun. Nach einem ersten Gespräch vor einigen Wochen schien es zwar noch so, als gäbe es auch bei Partei- und Fraktionschef Raed Saleh und Co eine konstruktive Unterstützung für die Ziele des Begehrens, große Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu verstaatlichen. Aber schon damals war eigentlich klar, dass auf die Sozialdemokraten in dieser Frage kein Verlass sein kann: SPD-Innensenator Andreas Geisel hatte die Prüfung des Gesetzentwurfs unerträglich in die Länge gezogen; ein Parteitagsbeschluss aus dem Herbst 2019 steht dem entgegen; die Zahl der Kritiker ist groß.

In dieser Situation die zweite Stufe nicht zu zünden hätte für die Initiative bedeutet, sich auf Biegen und Brechen dem Versprechen zu unterwerfen, das Parlament werde bis zum Herbst einen Gesetzentwurf erarbeiten und verabschieden. Schon zu Nicht-Wahlkampf-Zeiten wäre das ein unrealistisches Szenario gewesen.

Die Linkspartei hält den Schritt der Ini­tiative daher für konsequent; die Grünen sprechen eher von einer verpassten Chance. Doch auch für sie wird der politische Druck, der von einer erneuten Unterschriftensammlung ausgeht, immens hilfreich sein, um sich im Wahlkampf (auch für den Bundestag) für Interessen von MieterInnen starkzumachen. Grüne PolitikerInnen betonen ja immer, wie wie wichtig für sie der Druck von der Straße für die Durchsetzung von Interessen ist.

Es wird in diesen Pandemiezeiten mit all ihren Einschränkungen zur Kontaktaufnahme schon nicht leicht werden, die 175.000 Unterschriften zusammenzubekommen. Und selbst wenn: Würde es am 26. September eine Mehrheit für die Initiative geben? Das ist angesichts der dramatischen Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht ausgeschlossen, aber auch nicht wahrscheinlich. Positiv gedacht: Auch eine Niederlage kann – falls sie nicht zu deutlich ausfällt – noch ein Erfolg sein. Bert Schulz

Symbolpolitik gefährdet die Solidarität

Berlin setzt strenge Reisebeschränkungen um

Das Robert-Koch-Institut meldete in der vergangenen Woche wiederholt einen Höchststand an Corona-Toten, rund 1.400 Menschen sterben in Deutschland pro Tag an oder in Zusammenhang mit dem Virus. Die Intensivstationen in Berlin sind laut der Gesundheitsverwaltung zu mehr als einem Drittel mit Covid-PatientInnen überlastet. Und die 7-Tage-Inzidenz kratzt stetig an der Marke von 200 Neuinfizierten pro Woche pro 100.000 EinwohnerInnen.

Reißt sie diese, darf man man ab der Stadtgrenze nur noch in einem 15 Kilometer-Radius um Berlin herum unterwegs sein. Ab dem heutigen Samstag wird diese Bundesregelung auch in Berlin umgesetzt.

Und nun eine Beobachtung, nur eine Momentaufnahme, aber dennoch: In einem Immobilienbüro, an dem die Autorin dieser Zeilen in den vergangenen Tagen vorbeiging, saßen drei MitarbeiterInnen mit wenig Abstand und ohne Maske vor ihren Bildschirmen. Und natürlich fragt man sich da: Warum verkaufen mindestens zwei von ihnen ihre Wohnungen nicht vom heimischen Küchentisch – warum sitzen die da alle noch zusammen?

Ein Recht auf Homeoffice ist politisch nach wie vor nicht in Sicht, zugleich werden Eltern angehalten, ihre Kinder möglichst selbst zu beschulen und Kita-Kinder zu Hause zu betreuen. Die Verantwortung, solidarisch zu sein, liegt beim Einzelnen.

Und die 15-Kilometer-Beschränkung passt da gewissermaßen ins Bild: Für eine Metropole wie Berlin ist diese Regel unsinnig – denn bei dem Ziel, die Infektionszahlen zu drücken, dürfte sie nicht viel helfen. Vielleicht sogar im Gegenteil: Nimmt man den BerlinerInnen ihren Wochenend-Auslauf in menschenleeren Brandenburger Waldgebieten, drängeln sich jetzt eben noch mehr Eltern mit ihren Kindern auf Spielplätzen und in den Parks. Die 15-Kilometer-Regel ist nichts anderes als Symbolpolitik.

Wenn man sich aber schon nicht traut, an wichtigen Stellen – siehe Homeoffice – Entscheidungen zu treffen, sollte man man mit solcher nicht leichtfertig den Rückhalt in der Bevölkerung aufs Spiel setzen: Wirklich notwendige Anstrengungen wie den Verzicht auf Kontakte und die Entlastung der Kitas werden wir nämlich noch eine ganze Weile weiter solidarisch tragen müssen. Anna Klöpper

Am falschen Ende gespart

Geflüchtete und Homeschooling

Am Dienstag hat der Senat auf Vorlage von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) beschlossen, in den bevorstehenden Winterferien eine Ferienschule anzubieten. „Insbesondere Schülerinnen und Schüler, die in beengten Wohnverhältnissen leben und mangelnde Hilfe durch erwachsene Bezugspersonen erhalten, können während der pandemiebedingten Schulschließung weniger gut vom Lernen zu Hause profitieren als andere Kinder“, heißt es in einer wohlklingenden Erklärung. Das Angebot gelte besonders für zugewanderte Kinder und Jugendliche und andere, bei denen die LehrerInnen einen Lernrückstand sehen. „Mir ist wichtig, dass kein Schüler, keine Schülerin mit pandemiebedingten Lernrückständen alleine gelassen wird“, so Scheeres.

So gut gemeint ein solches Angebot ist, so sehr zeigt es, wie weltfremd Politik sein kann. Nach zehn Monaten Pandemie und etlichen Wochen Homeschooling ist evident, dass SchülerInnen mit „pandemiebedingten Lernrückständen“ sehr wohl alleine gelassen werden.

Es fängt bei der Diagnose an: Beengte Wohnverhältnisse und mangelnde Hilfe durch Eltern sind zwar auch ein Problem. Aber bei vielen Familien, die in Wohnheimen leben müssen, fängt es weit vorher an: Sie haben nicht einmal Internet! Oder kein für Onlineunterricht ausreichend schnelles.

Dass fast ein Viertel der Flüchtlingsheime bis heute kein WLAN haben, wie das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) zugibt, kann man nach fast einem Jahr im Krisenmodus nicht mehr mit „baulichen Problemen“ rechtfertigen – zumal es zum Teil Gebäude betrifft, die gerade neu gebaut worden sind. Wer baut denn heutzutage Häuser ohne fette Datenleitung oder der Möglichkeit dazu? Das sollten sich Gewobag oder Deutsche Wohnen mal bei einem Neubauprojekt erlauben.

Aber klar, für Geflüchtete soll, darf oder muss es gar möglichst einfach sein. Die Heimverwaltung kriegt auch in den problematischen Neubauten Internet, da werden keine Kosten und Mühen gescheut. Die BewohnerInnen dürfen sich mit etwas Netz im Aufenthaltsraum begnügen (wo zurzeit, wenn überhaupt, immer nur einzelne hineindürfen). Da stellt man auch ein, zwei Computer hin, das muss dann für ein paar hundert Menschen reichen.

Apropos Computer: Es war absehbar, dass auch die 51.000 verteilten Tablets längst nicht für alle bedürftigen Kinder dieser Stadt, ob geflüchtet oder nicht, reichen. Abgesehen davon, dass die Vergabe der Geräte durch die Schulen nicht transparent war und manche sie offenbar nur zögerlich herausgerückt haben: Viele SchülerInnen müssen noch immer mit Handys arbeiten – was ziemlich nervig ist bei längeren Zoom-Konferenzen, bei Recherchen – oder wenn die Lehrerin andauernd neue PDFs schickt, die man eigentlich auch noch ausdrucken soll.

Aber hört man von Frau Scheeres etwas dazu, wie sie allen, die es brauchen, die nötige Grundausstattung fürs digiale Lernen beschaffen will? Hört man von Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke), wie sie dem LAF und der landeseigenen Immobiliengesellschaft BIM Beine macht, damit in ihren Häusern digitaler Unterricht überhaupt laufen kann?

Klar ist das alles deutlich teurer als eine einwöchige Ferienschule. Dafür würde es aber wirklich etwas bringen.

Susanne Memarnia

Viele Familien, die in Wohnheimen leben müssen, haben dort nicht einmal Internet

Susanne Memarnia über die Probleme vieler Flüchtlingskinder mit Homeschooling