: Fairness zum Fest
Bienenwachstücher aus Indien, maskentragende Strickpüppchen aus Armenien, Goldschmuck aus Mexiko: Weltläden locken zu Weihnachten mit besonderen Geschenkideen aus fairem Handel. Seit Corona haben manche steigende Umsätze. Vor allem teures Kunsthandwerk ist gefragt
Von Joachim Göres
Das Jesuskind in der Krippe, Maria und Josef, im Hintergrund eine Jurte – so sieht die kleine Jurten-Krippe aus Nepal im Schaufenster des Weltladens Celle aus. Preis: 17,50 Euro. Darüber hängen Nylon-Taschen aus recycelten Netzen, die aus Kambodscha stammen. An einem Korb mit Kakao, Schokoladentafeln und Schoko-Weihnachtsmännern ist das Schild „Faire Weihnachten“ angebracht, daneben ein Plakat mit großen Buchstaben: „Weihnachten heißt auch sich kümmern, hier und überall“.
„Weihnachten ist für uns die wichtigste Verkaufszeit. Da kommen auch Kunden, die wir sonst nicht erreichen, und freuen sich, dass sie bei uns ausgefallene Dinge finden“, sagt Wolfgang van Heesch. Er gehört zu den 17 Ehrenamtlichen, die im Weltladen Peine arbeiten und dafür sorgen, dass der Laden 48 Stunden pro Woche geöffnet ist.
Die Renner sind derzeit als Weihnachtsmänner verkleidete Entenfiguren aus Indonesien sowie kleine Engel aus Metall. „Für uns ist es am wichtigsten, dass wir den Geschmack der Käufer treffen“, sagt van Heesch. „Kürzlich haben wir quietschegrüne Socken bei einem unserer Lieferanten bestellt – ich war dagegen, die anderen beiden dafür. Wir haben in drei Wochen 20 Paare zu jeweils neun Euro verkauft. Damit habe ich nicht gerechnet.“
Als Geschenke zu Weihnachten sind zunehmend hochwertige und teure Kunsthandwerkprodukte gefragt. „Wir haben auch handgearbeitete Leder-Aktentaschen für 200 Euro im Angebot. Bei Handtaschen ist unsere Preisgrenze 150 Euro – wenn sie teurer sind, wird es schwierig, Kunden dafür zu finden“, sagt van Heesch. Er spricht von gestiegenen Umsätzen seit der Corona-Pandemie und derzeit deutlich mehr Kunden als zum Weihnachtsgeschäft 2019.
Ob dies an der Solidarität mit Menschen in Teilen der Welt liegt, denen es während der Pandemie deutlich schlechter als uns geht, bleibt offen. „Eine große Rolle spielt sicher auch, dass Anfang dieses Jahres die Renovierung unseres Ladens abgeschlossen war. Wir sind kein Gerümpelladen mehr und erreichen deutlich mehr Laufkundschaft“, sagt van Heesch. Dazu tragen ein moderner Tresen, ein erneuerter Fußboden, ein frischer Wandanstrich, hellere Regale und eine bessere Beleuchtung bei.
„Das ist kein Weltladen mehr, es geht nur um Kommerz“, lautete ein Argument, das langjährige Ehrenamtliche gegen die Renovierung angeführt hatten, denen auch die damit verbundenen Kosten ein Dorn im Auge waren. „Viele Dinge wie die LED-Beleuchtung haben wir gespendet bekommen. Das Geld durch mehr Verkäufe kommt ja nicht uns, sondern den Produzenten zugute“, betont van Heesch. „Letztlich ging es in dem Konflikt darum, wer hier das Sagen hat.“ Einige der Umbau-Gegner machen seitdem nicht mehr im Weltladenteam mit, doch an ihrer Stelle kamen neue Engagierte hinzu.
Die Ehrenamtlichen aus Peine kaufen ihre Waren unter anderem beim Großhandel El Puente in Nordstemmen bei Hildesheim ein. Der führt 5.000 fair gehandelte Produkte und beliefert 900 Weltläden, vor allem in Deutschland. An wen das Geld fließt, erklärt El Puente auf seiner Homepage am Beispiel einer in Marokko hergestellten Tasche aus Schilfgras mit Ledergriffen, die in Weltläden für 26,90 Euro angeboten wird. Davon kommen 5,90 Euro bei den Herstellern an, rund 21 Prozent. 30 Prozent der Einnahmen aus dem Verkauf von Kunsthandwerk verbleiben bei den Weltläden, die davon Kosten wie die Miete bestreiten sowie Überschüsse spenden. El Puente, wo 60 Menschen beschäftigt sind, erhält 15 Prozent. Der Rest geht unter anderem für Vermarktung, Transport, Vertrieb und die Mehrwertsteuer drauf.
„Wir zahlen unseren 140 Handelspartnern in Afrika, Asien und Lateinamerika die Preise, die sie kalkulieren, und versuchen nicht, sie zu drücken“, sagt El-Puente-Sprecherin Anna-Maria Ritgen. Ob die Produzenten damit wirklich ein auskömmliches Leben führen könnten, sei ein Riesenthema im fairen Handel. „Wahrscheinlich derzeit kaum“, räumt Ritgen ein.
Anna-Maria Ritgen, El Puente
Sie verweist auf ein Projekt der World Fair Trade Organization (WFTO), in dem bis 2025 der „Living Wage“ ermittelt werden soll – sprich: Wo ist das Leben wie teuer, was braucht in der jeweiligen Region eine Familie zum Leben? El-Puente-Produkte tragen das WFTO-Siegel als Zeichen dafür, dass man die von der WFTO festgelegten Bedingungen für den fairen Handel erfüllt. Bei Kunsthandwerksartikeln geht in der Regel mehr Geld in die Herkunftsländer als bei Lebensmitteln, die häufig in Europa verarbeitet werden.
Zu den besonderen Weihnachtsartikeln von El Puente zählen in diesem Jahr Bienenwachstücher und Strohhalme aus Edelstahl aus Indien. Auch kleine Strickpüppchen mit Masken aus Armenien, die Ärzte und Krankenschwestern darstellen, verkaufen sich zum Preis von 14,90 Euro gut. „Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle, und dafür wird auch richtig Geld bezahlt. Es gibt einen Trend zu sehr hochwertigen Sachen wie zum Beispiel Öko-Lederprodukte ab 100 Euro aufwärts“, sagt Ritgen.
Auch Goldschmuck aus Mexiko sei gefragt. „Unsere Handelspartner wissen, was in Deutschland und anderen europäischen Ländern gut geht und welche Designtrends vorherrschen. Manchmal geben wir auch Produkte in Auftrag wie zum Beispiel Obst- und Gemüsebeutel“, sagt Ritgen. „Vor vielen Jahren hatten wir eine eigene Kleidungslinie entworfen und herstellen lassen, doch damit sind wir gescheitert. Die meisten Weltläden sind zu klein für Umkleidekabinen.“
Sie kann noch nicht sagen, wie sich der Umsatz entwickelt. Durch die Coronapandemie hatten viele Produzenten Probleme bei Herstellung und Transport. Derzeit hat El Puente keine Nachschubschwierigkeiten mehr. „Es gibt allerdings Einzelfälle wie einen Lieferanten von Schalen aus Indonesien, der seine Arbeit eingestellt hat“, so Ritgen. „Die wurden vor allem an Touristen im eigenen Land verkauft und der Markt ist vollkommen eingebrochen.“
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