: „Blanker Hohn“: Pflegedienst kritisiert Spahn
„Menschenverachtender und irrsinniger“ Umgang mit der Pflege in der Coronakrise
In einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Bremerin Andrea Hugo einen „menschenverachtenden und irrsinnigen“ Umgang mit der Pflege in der Coronakrise angeprangert. „Statt mit den benötigten Hilfsmitteln ausgestattet zu werden, werden wir beinahe täglich mit einer unsäglichen Papierflut erschlagen“, kritisiert die Krankenpflegerin, die einen privaten ambulanten Pflegedienst leitet.
Seit März arbeite der Dienst am Limit. „Von Woche zu Woche zittern wir, ob wir dringend benötigte Desinfektionsmittel, Masken oder Handschuhe bekommen können“, sagt Hugo in dem Schreiben, das auch an den Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, gerichtet ist. „Viele FFP-2 Masken waren Fake und konnten nicht verwendet werden. Dann wurde angeordnet, dass ein normaler Mund-Nasenschutz reiche – obwohl bekannt ist, dass dieser keinerlei Schutzwirkung gegen Viren hat.“
Keine Unterstützung durch Behörden
Als Unterstützung vom Gesundheitsamt habe sie ein Hygienekonzept von 25 Seiten erhalten, das zu erfüllen sei. Außerdem sei auf die Verpflichtung hingewiesen worden, ein Notfallkonzept im Falle eines Corona-Ausbruchs zu erstellen. Die Rückfrage, wie der zusätzliche Arbeitsaufwand und die Patientenversorgung sichergestellt werden sollten, sei von den Kostenträgern mit den Worten „Sie haben einen Sicherstellungsauftrag“ beantwortet worden. Das sei „blanker Hohn“.
Hugo schreibt weiter: „Dass unsere Mitarbeiter bei kleinsten Grippesymptomen aus dem Verkehr gezogen werden müssen, sie aufgrund der Schließung von Kitas und Schulen nicht zur Arbeit kommen können, oder sie aufgrund von völliger Überlastung ausfallen, interessiert weder die Gesundheitsbehörde, die Krankenkasse noch das Bundesgesundheitsministerium.“
Zu den Corona-Schnelltests bemerkt die leitende Krankenschwester, für die 20- bis 30-minütige Arbeit, die nur eine Fachkraft übernehmen dürfe, werde der ambulanten und der stationären Altenpflege eine Vergütung von jetzt 9 Euro angeboten. Die Kollegen im Krankenhaus erhielten 12 Euro. Hugo fragt: „Ist denn unser Examen weniger wert und bin ich eine schlechtere Krankenschwester als die in der Klinik?“ Auch betriebswirtschaftlich funktioniere die Bezahlung mit Blick auf Lohnneben- und Fahrtkosten nicht. (epd)
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