heute in hamburg: „Stadt muss Versorgung sicherstellen“
Deniz Celik,42, ist der gesundheits- und innenpolitische Sprecher der Linksfraktion und Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft.
Interview Lissy Malethan
taz: Herr Celik, warum braucht Wilhelmsburg ein Krankenhaus?
Deniz Celik: Wilhelmsburg ist einer der größten Stadtteile und wächst sehr schnell. Trotzdem gibt es südlich der Elbe nur drei Krankenhäuser, im Norden sind es 40. Es gibt bereits eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhaus Groß-Sand und den niedergelassenen Ärzt*innen. Für den Stadtteil ist es wichtig, dass die Grund- und Regelversorgung weiterhin bestehen bleibt. Das Krankenhaus hat diese Versorgung in den vergangenen Jahren sichergestellt.
Warum soll das Krankenhaus Groß-Sand jetzt verkauft werden?
Das Krankenhaus hat finanzielle Schwierigkeiten. Zum einen wurden viele Investitionen in den letzten Jahren nicht getätigt, zum anderen ist es generell für kleine Krankenhäuser schwierig, im Fallpauschalensystem wirtschaftlich zu überleben. Weil das Krankenhaus Defizite einfährt, hat das Erzbistum als Träger beschlossen, es zu verkaufen.
Wird die Klinik geschlossen?
Das Erzbistum hat das zwar ausgeschlossen. Es ist trotzdem zu befürchten, dass das Krankenhaus mit einem neuen Träger geschrumpft wird, dass Stationen, die nicht rentabel sind, geschlossen werden. Am Ende könnte es ein Krankenhaus sein, das eine Rehaklinik hat, aber nicht mehr die Grund- und Regelversorgung für den Stadtteil bereitstellt. Bei einem Krankenhaus sollte der Bedarf im Mittelpunkt stehen. Bei einem privaten Träger geht es in erster Linie aber immer um die Wirtschaftlichkeit. Deshalb haben wir die Kommunalisierung vorgeschlagen.
Konkret haben Sie vorgeschlagen, dass das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) das Groß-Sand Krankenhaus übernehmen soll.
Genau. Durch die Übernahme könnte die medizinische Versorgung weiterentwickelt werden. Das UKE hätte die Möglichkeit, vor Ort Versorgungsforschung zu betreiben und wissenschaftliche Erkenntnisse auf die allgemeine Versorgung zu übertragen. Außerdem hätten angehende Mediziner*innen die Möglichkeit, in Wilhelmsburg einen Teil ihrer Ausbildung zu machen. In der Vergangenheit haben wir genau das beim Kinderkrankenhaus Altona gesehen. Als das in finanziellen Schwierigkeiten war, ist das UKE eingesprungen. Das war eine Erfolgsgeschichte.
Und was sagt das Erzbistum dazu?
Das sagt, das UKE könne in das Bieterverfahren mit einsteigen.
Und das UKE?
Von Vertreter*innen des UKEs weiß ich, dass sie sich das vorstellen können. Es gibt aber keine öffentliche Erklärung. Die Stadt steht in der Verantwortung, da kann das UKE nicht voranpreschen. Es gibt eine Aussage vom UKE, dass sie nicht konkret in die Verhandlungen einsteigen, aber dass sie grundsätzlich bereit wären, für die Sicherstellung der Versorgung einzuspringen. Das deute ich so, als wäre die Bereitschaft sehr groß.
Was steht dann noch im Weg?
Der rot-grüne Senat. Wir haben vermittelt bekommen, dass die Stadt eine solche Lösung nicht anstrebt. Wir werden in der Debatte viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Aber die Stadt hat den Auftrag, die Versorgung der Menschen sicherzustellen, und muss jetzt handeln. In einem Lenkungsausschuss sollten Vertreter*innen der Stadt, die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkasse eine Lösung beraten. Wir haben erfahren, dass dieser Ausschuss seit zwei Monaten nicht getagt hat. Das zeigt, dass die Stadt sehr wenig tut.
Wie eilig ist es denn?
Die Zeit rennt uns davon. Es gibt schon Verhandlungen im Hintergrund. Wir wissen nicht, in welchem Stadium die sind. Es kann sein, dass das Erzbistum von heute auf morgen mitteilt, dass sie einen neuen Träger gefunden haben. Der Druck zu handeln ist sehr groß.
Online-Diskussion: „Welche Zukunft für Groß-Sand?“ mit Ärzten, Ehrenamtlichen und Vertreter*innen von Krankenkassen, 19 Uhr, https://bbb.die-linke-hamburg.de/b/die-wk3-zet
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