: Eine Welt ohne Verteilungskriege
Der amerikanische Konzeptkünstler Peter Fend beschäftigte sich schon in den 1980er Jahren mit Ökosystemen, Klimaveränderungen, Abfallnutzung. Alte und neue Arbeiten sind in der Berliner Galerie Barbara Weiss zu sehen

Von Tilman Baumgärtel
In einer Zeit, in der die menschengemachten Klimaveränderungen nicht mehr länger zu übersehen sind und Gegenmaßnahmen nicht schnell genug umgesetzt werden können, ist Peter Fend der Mann der Stunde. Und auch in einer Zeit, in der Menschen auf eigene Faust zu den großen naturwissenschaftlichen Menschheitsfragen zu recherchieren beginnen und dabei auf den größten Unsinn hereinfallen, kommt Peter Fend genau richtig.
Denn der amerikanische Konzeptkünstler hat sich in seiner Arbeit schon in den 80er Jahren mit der globalen Ökologie und der Erderwärmung auseinandergesetzt. Er hat zudem immer wieder wenig bekannte Alternativen und übersehene Handlungsoptionen ausgelotet und sein Wissen dazu – ähnlich wie der Geistesverwandte Mark Lombardi – aus unkonventionellen Quellen bezogen. Zusammen mit Jenny Holzer, Richard Prince und anderen New Yorker Künstlern gründete er 1980 das Unternehmen Ocean Earth, um weltweite Umweltverschmutzung und geopolitische Interventionen aufzuzeichnen und öffentlich zu machen. Seine künstlerische Arbeit nahm die Form von Zeichnungen, Skizzen und Diagrammen an, aber auch von künstlerischen Alternativvorschlägen zur existierenden Wirtschaftsform. In gewisser Weise war Peter Fend das „Fridays for Future“ der Kunstwelt, als er die ökologischen Ansätze, die schon in der Kunst von Joseph Beuys oder der Land Art der 70er Jahre eine Rolle spielten, lautstark im künstlerischen Diskurs propagierte.
Eine seiner Installationen ist nun in der Berliner Galerie Barbara Weiss zu sehen: „Urban Extrusion“, eigentlich für eine Ausstellung in Großbritannien 2004 entstanden, aber von unveränderter Aktualität. Detailliert stellt Fend mit Hilfe von Fotografien, Zeitungsartikeln und wissenschaftlichen Aufsätzen seine Idee dar, aus Abfall mit Hilfe von Hefen das nicht wasserlösliche Protein Keratin herzustellen, das der Hauptbestandteil jeder Feder – wie auch von Haaren, Schnäbeln und Hufen – ist. Mit ihnen könnten nach Ansicht des Künstlers Ökosysteme repariert werden, wenn man diese künstlichen Federn wieder in Seen, Flüssen und Feuchtgebieten ausstreut, wo sie von Enten, Schwänen und Zugvögeln aufgenommen werden können.
Damit schließt die Arbeit an frühere Projekte an, bei denen Fend sich ebenfalls mit den für die Ökologie so wichtigen Gewässern und ihren Bewohnern beschäftigte. Vor allem das Meer sowie die Energie und die Rohstoffe, die es hervorbringt, werden hier immer wieder als Alternative zur fossilen Energiegewinnung ins Spiel gebracht. Langfristig propagiert Fend die Entwicklung einer „Meeresindustrie“, die sich aus geografischen und geophysikalischen Gegebenheiten ableitet. Das soll letztlich auf eine vollkommene Abschaffung von Nationalstaaten hinauslaufen, da die Menschheit sich nach ihrer Nähe zu neuen Energiequellen wie Biogasvorkommen oder Meeresscheiden neu im Raum orientierten soll. So soll eine postindustrielle Welt mit einer sozial gerechten Energieversorgung ohne Monopole und Verteilungskriege entstehen.
Dieser globale und radikale Ansatz hat Fend nicht nur den Vorwurf eingebracht, seine Arbeit mit politischen Themen zu überfrachten und eine Allmacht der Kunst vorauszusetzen, an die seit der Postmoderne niemand mehr glaubt. Auch wie praktikabel seine Alternativen sind, wird immer wieder in Zweifel gezogen – und in der Tat werden bis heute offenbar nirgends künstliche Federn aus Müll hergestellt, geschweige denn wieder in die Landschaft gekippt, um Vogelpopulationen zu unterstützen. Installationen wie „Urban Extrusion“ leben auch so stark von einer Erweiterung des künstlerischen Materials, dass man sie auch als Reflexionen von rein ästhetischen Fragen betrachten kann – oder anders gesagt, als Präsentationen, die im Naturkundemuseum möglicherweise wegen mangelnder Schauwerte nicht gezeigt werden würden.
Aber dann ist da noch eine Serie von neuen Zeichnungen mit dem Titel „Bird reign“, die mit feinem Strich die globalen Routen von Zugvögeln über menschengemachte Grenzen zeigen und das Thema der globalen Abhängigkeiten und Verbindungen, mit dem sich Fend seit den 80er Jahren beschäftigt, auf sehr poetische und sinnliche Weise darstellen.
Peter Fend: Bird Reign, bis zum 23. 1. 2021, Galerie Barbara Weiss, Kohlfurter Straße 41/43
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen