berliner szenen: Röntgenbild von Lungen voller Rauch
Es riecht nach Schokolade an diesem Herbstabend auf dem Tempelhofer Feld, wahrscheinlich von der naheliegenden Keksfabrik. Es ist schon stockdunkel um 17.30 Uhr und ich laufe durchs Feld vom Eingang an der S-Bahn Tempelhof bis zu Herrfurthstraße. Ich mache die Taschenlampe meines Handys an, damit ich für Radfahrer*innen sichtbar bin. Wenn sie sich von hinten nähern, leuchten sie mich an und mein Schatten wird vor mir projiziert auf eine grüne Wand aus Büschen, eine Wanderin mit Rucksack, mal größer, mal kleiner.
Bei der Playlist, die ich gerade höre, könnte sich das alles um einen Videoclip handeln. Wenn es still wäre, wären es sicher gute Bilder für einen Horrorfilm. Aber die Gedanken über Verrückte, die aus dem Nichts mit einer Axt in der Hand auftauchen, schiebe ich von mir weg und bleibe dann bei den coolen Videos zur elektronischen Musik, die ich drehen könnte.
Der Weg kommt mir unendlich vor, als würde ich auf einem Laufband laufen und wäre keinen Zentimeter weitergekommen. Die Skyline mit dem Fernsehturm, den Moschee- und Kirchtürmen ist fotogen, sie kann man lange betrachten, so wie den Himmel: die Wolken sehen aus wie ein Röntgenbild von Lungen voller Rauch. Ich bin damit beschäftigt, darunter den Mond zu finden, als mich ein Hund, der plötzlich neben mir steht, erschreckt. Sein Frauchen entschuldigt sich, ich sage, das sei o. k. Am Skate-Platz erkenne ich einige Figuren in der Dunkelheit. In der Ferne bewegen sich langsam die Abendlichter des Parkwächter-Autos (ein Raumschiff!) und dann bin ich schon am Ausgang, wo Menschen mit Fahrrädern Schlange stehen, um durch die Drehtür rauszukommen. Auf der anderen Seite spielt eine Sängerin Gitarre. Sie lächelt mich an, ich bin ja ein paar Sekunden lang ihre einzige Zuschauerin.
Luciana Ferrando
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