corona in bremen: „Ich kann es nur mit Demut hinnehmen“
Renate Heitmann, ist seit 1994 Mitglied der Theaterleitung der bremer shakespeare company und treibende Kraft hinter zahllosen Projekten wie Circus Quantenschaum oder zuletzt dem Trotz-Corona-Sommer-Festival Summer summarum.
Interview Samira Ghozzi
taz: Seit letzter Woche ist klar, dass wieder geschlossen ist – was war Ihr erster Gedanke?
Renate Heitmann: Oh nein!
Haben Sie damit gerechnet?
Man hat es vermutet. Wir haben ja schon etwas Erfahrung. Mit den politischen Diskussionen, die man so verfolgt, war es schon absehbar, dass es wieder dazu kommt. Das Prinzip ist ja nicht, die Orte zu schließen, die die meisten Infektionen aufweisen, sondern das öffentliche Leben bis zu 75 Prozent herunterzufahren. Da ist die Schließung der Kita wahrscheinlich schwieriger als die des Theaters.
„Ohne uns ist’s still“ heißt es von der Initiative Kulturgesichter. Was bedeutet diese Stille für Sie?
Es ist ein absolutes Ausbremsen der eigenen Arbeit. Das eigene Bedürfnis und das eigene Geschäft – mit einem Mal ist alles still. Wir hätten die Tage mehrere Premieren geplant. Das kann jetzt alles nicht stattfinden. Schade.
Finden Sie die Maßnahmen gerecht?
Gerecht ist ein schwieriges Wort. Ich finde es schwer nachvollziehbar. Warum kann man in die Kirche und ins Theater aber nicht? Ich kann es nur mit Demut hinnehmen. Am Mittwoch gibt es das Gespräch zwischen dem Bürgermeister, der Staatsrätin und den Kultureinrichtungen. Ich persönlich brauche diese Erklärung, um es verstehen zu können.
Ist Kultur nicht systemrelevant?
Natürlich ist Kultur systemrelevant. Wenn wir nicht mehr die Möglichkeit haben, uns die Dinge anders vorzustellen, mit Fantasie und Kreativität, fehlt uns Menschen etwas. Für Künstler und für Zuschauer. Sich Dinge anders vorstellen zu können, ist ein wichtiges Element, um mit solchen Krisen wie jetzt umgehen zu können.
Reichen die staatlichen Hilfen?
Im Moment ja. Ich möchte wissen, wie es in zwei Jahren ist. Kurzarbeitergeld und die anderen finanziellen Unterstützungen sind Notmaßnahmen. Aber was ist, wenn wir danach nicht mehr richtig auf die Füße kommen? Solange die staatlichen Hilfen da sind, kommen wir aber klar.
Wie gehen Sie mit Ihren Honorarkräften um?
Die zahlen wir. Jeder Termin, der von unseren Gästen bestätigt wurde und nun nicht stattfinden kann wird trotzdem bezahlt. Ganz klar.
Wen brauchen Sie als Unterstützung in dieser Krise?
Also das Erste ist der Wunsch und die Hoffnung, dass uns das Publikum treu bleibt. Sie sind unser wichtigster Partner. Wir brauchen die staatlichen Institutionen, die uns das Rückgrat stärken. Und wir wünschen uns, dass wir uns alle auf der Bühne wiedersehen. Und bis dahin planen wir Veranstaltungen über die Plattform Zoom. Mein Corona-Standard Spruch in diesem Jahr: „Wenn man nichts tut, gibt es nichts zu tun.“
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