wortwechsel
: So viel Freiheit muss sein: Ab nach Hause!

Freiheit heißt Verantwortung übernehmen – für sich und andere? Vernunft ist unsere Waffe gegen „das Jahrhundertereignis“ der Pandemie. Aber wo soll das alles hinführen, fragen viele

Harte Zeiten: Künstlerin im Varieté Wintergarten in Berlin vor dem Shutdown am 2. November Foto: Fabrizio Bensch/reuters

„Neue Corona-Maßnahmen: Viel Kritik, wenig Alternativen“,

taz vom 30. 10. 20

Fragen statt denunzieren

Ich habe Angst um die Zukunft meiner drei Kinder. Denn ich finde es nicht richtig, dass meine Regierung Existenzen zerstört, die Wirtschaft ruiniert, Angst und Schrecken unter den Leuten verbreitet ohne Perspektive. Unsere Gesellschaft mehr destabilisiert als stabilisiert. Liebe taz, ich wünsche mir, dass Menschen, die mit Blick auf die Dinge, die gerade passieren, zu Recht Bedenken haben, nicht pauschal als Verschwörungstheoretiker oder Rechtsradikale diffamiert werden. Zu meinem großen Bedauern auch in der taz. Es macht mich nämlich traurig, dass ich früher als linke Spinnerin beschimpft wurde, weil ich die taz gelesen habe, und heute von ebenjener taz verhöhnt werde, diesmal als rechte Spinnerin. Ja, es gibt sie, diejenigen, die wilde Theorien spinnen. Und viele davon stehen auch weit rechts. Aber: Was ist denn mit unserer Demokratie los, wenn nur noch per Verordnung regiert wird? Wie kann es sein, dass Herr Söder seine Landsleute aufruft, sich gegenseitig zu denunzieren, wenn sie sich nicht an seine Anordnungen halten? Dies tun im Freiburger Raum übrigens auch Kommunalpolitiker im Gemeindeblatt. Also bitte: Seid doch etwas kritischer! Wandelt Ängste in Fragen! Bleibt verlässlich in einer Welt, wo nichts mehr so ist, wie es war! Und vor allem, nehmt jetzt mal den Maulkorb ab! Seid unabhängig!

Esther Hofmann, Ringsheim

Nach der Sommerpause

Seit der ersten Coronawelle sind Monate vergangen. Jeder wusste, was kam. Schon im Frühjahr hieß es: Die zweite Welle kommt im Herbst. Wo waren die Parlamente den ganzen Sommer über? Was haben sie gemacht? Haben sie intensiv ein funktionstaugliches Gesetzes- und Regelungskonzept diskutiert, debattiert und verabschiedet nach der Devise: Wenn, dann …? Also ein Konzept, das die Exekutive jetzt nur noch brav abarbeiten muss? Nein! Sie haben nichts gemacht außer Sommerpause. Wenn man sich die ganze Zeit um nichts kümmert, braucht man den Karren nirgends anders suchen als im Dreck, weil da steckt er dann. Gern können sie nun ihren verpassten Chancen, diesen so wichtigen Herbst mit zu gestalten, hinterherheulen. Aber den Handelnden jetzt vorzuwerfen, dass sie tun, was zu tun ist, ist einfach nur kindisch.

Martin Leo, Köln

Mehr Staat als Markt

Seit Jahren predigen viele Apologeten des „freien Marktes“, es gebe zu viel Bürokratie, die Steuern seien zu hoch, der Staat sei eigentlich überflüssig. Nun droht das Virus ganze Volkswirtschaften in den Ruin zu treiben, das Gesundheitswesen an seine Grenzen zu bringen und viel menschliches Leid über die Menschen. Plötzlich fordern ebendiese Apologeten mehr Bedienstete im Gesundheitswesen, Reserven bei der Lagerhaltung von Medikamenten und Ausrüstung und überhaupt mehr Vorsorge. Vulgo: mehr Staat. Denn: Wer sonst könnte ebendies leisten? Die Apologeten des „freien Marktes“ sollten ihre Positionen dringend überdenken. Und revidieren. Georg Fladt-Stähle, Leipzig

Im Science-Fiction-Film

Alle Maßnahmen der Politik stützen sich auf die Annahme, dass in ein paar Monaten ein Impfstoff zur Verfügung steht und der Spuk dann schlagartig vorbei ist. Ein anderes Szenario wird aber immer wahrscheinlicher: Das Virus wird uns, ähnlich der Grippe, nicht mehr verlassen. Es geht also eher um individuellen Schutz. Der unterbleibt aber derzeit sträflich: Schutz-ausrüstung für alle, aber vordringlich gefährdete Menschen – wirksame Masken (und kein Mummenschanz), Desinfektionsmittel, Schutzanzüge …Lieber draußen für jeden einen Helm auf dem Kopf statt ein Ausgehverbot. Jeder Science-Fiction-Film hat bessere Ideen für den Umgang mit einem Virus. taztiz auf taz.de

Auf Kosten anderer

Das Pochen auf Freiheit ist der Ausdruck einer privilegierten Position. Menschen der Risikogruppe müssten sich noch weiter zurücknehmen, so die vermeintlich Fitten sich Freiheiten herausnehmen, die letztlich auf Kosten anderer gehen. Das Schicksal der anderen steht nicht im Fokus. Siehe auch den Umgang mit Geflüchteten, Wohnungslosen und Arbeitenden im sozialen und pflegerischen Bereich. Uranus auf taz.de

@Uranus Wird mal Zeit, sich zu fragen, warum gerade westliche Demokratien reihenweise im Kampf gegen die Pandemie versagen (von Inselstaaten wie Neuseeland abgesehen). Was machen asiatische Staaten wie Südkorea & Co. besser? Abschottung? Konsequente Quarantäne für Rückkehrer? Bessere Nachverfolgung ohne Hindernisse wie Datenschutz? Folgsamere Bevölkerung mit mehr Eigenverantwortung? Gyakusou auf taz.de

Sie sind Arzt?

Ich habe meinen Arztberuf immer als eine ehrenwerte Tätigkeit angesehen, hatte man sich doch einst zum Ziel gesetzt, Menschen zu helfen. Wenn ich aber sehe, dass Ärzte nun auf völlig unethische Weise die Bevölkerung verunsichern, Ängste schüren und auf die „Corona-Leugner-Welle“ aufspringen, dann schäme ich mich, dass diese „Ärzte“ das gleiche Zertifikat der Approbation in Händen halten dürfen wie ich. Es sind „Ärzte“, die sich als „Aufklärer“ sehen. „Masken?“ – „Unfug!“, „Impfung?“ – „Bloß nicht.“ „Corona?“ – „Ist doch halb so schlimm.“ Und diese „Ärzte“ lassen Flugblätter in Haushalte verteilen, um die Bevölkerung weiter zu verunsichern. Um sie indirekt aufzurufen, die allgemeinschützenden Maßnahmen zu hinterfragen und zu verweigern. Sicher haben diese Ärzte noch keinen Tag der Pandemie auf einer Intensivstation verbracht, wo wegen Sars-CoV-2 beatmete Patienten lagen. Intensivstationen, auf denen echte Mediziner Tag für Tag den Kopf hinhalten. Bitte erinnern Sie sich daran, dass es nicht darum geht, sein Gesicht in den Nachrichten zu sehen. Es wäre schön, Sie dann wieder als echte Kollegen und Kolleginnen bezeichnen zu können.

Andreas Hofmann, Frankfurt a. M.