Freude?
Nein danke!

Trotz Absage für das Atommüll-Endlager in Gorleben ist der Jubel bei den Atomgegnern verhalten. Schließlich geht es um den allgemeinen Umgang mit radioaktiven Abfällen

Protestgeschichte in Gorleben: Bauplatzbesetzung durch die Freie Republik Wendland 1980, Räumung einer Straßenblockade 2002 Fotos: imago, Christian Charisius/reuters

Von Reimar Paul

Erleichterung ja, aber keine große Party: Die Protestgruppen im Wendland haben eher verhalten auf die Nachricht reagiert, dass Gorleben aus dem Suchverfahren für ein Endlager ausgeschieden ist. „Es ist gut und ein Erfolg, dass alle fachlichen Argumente gegen Gorleben, die wir seit Jahrzehnten vorbringen, jetzt ganz offiziell berücksichtigt wurden“, sagt Monika Tietke, Sprecherin der Bäuerlichen Notgemeinschaft.

Grund zu überschwänglicher Freude sieht Tietke aber nicht: „Das Atommüllproblem ist ja nicht gelöst und der Konflikt darum ist nicht zu Ende.“ Den Widerständigen im Wendland sei es ja „auch nicht nur um Gorleben“ gegangen. Sondern um den Umgang mit den radioaktiven Abfällen und der Atomtechnologie insgesamt.

Auch die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg lässt den Sekt vorerst im Kühlschrank. Sie hat für den 4. Oktober zu einer Demonstration an den Gorlebener Atomanlagen aufgerufen. „Das wird aber keine Jubelparty“, versichert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke (siehe Interview). Die Kritik der Aktivisten am Suchverfahren sei mit dem Aus von Gorleben ja nicht vom Tisch. „Wir bringen uns solidarisch weiter in das Endlagersuchverfahren ein“, kündigt Ehmke an.

Die langjährige Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms aus dem Wendland hat nach eigenen Worten nicht so bald mit dem Aus von Gorleben gerechnet: „Das ist ein bisschen surreal.“ Sie sei aber „sehr froh, dass der Salzstock wegen geologischer Nicht-Eignung ausgeschieden ist. Für mich ist das Suchverfahren dadurch glaubwürdiger geworden.“

Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“, eine zentrale Figur im wendländischen Atomwiderstand, sagt: „Ein 43 Jahre alter Fehler wurde endlich geheilt. Die geologischen Mängel des Salzstocks in Gorleben sind schon lange bekannt. Mit dem heutigen Tag werden diese nun auch offiziell bestätigt.“

Dieser Erfolg sei ohne den unermüdlichen Widerstand nicht möglich gewesen: „Was kann einer Gesellschaft Besseres passieren, als dass sich unzählige Menschen so für die Sicherheit der kommenden Generationen einsetzen?“ Gorleben sei der Beleg dafür, dass Fehlentwicklungen selbst gegen mächtige Interessen in Wirtschaft und Politik korrigiert werden könnten, wenn Bürgerinnen und Bürger mutig Verantwortung übernähmen. Doch die Gorleben-Entscheidung sei nicht das Ende des Konflikts, so auch Stay: „Der Atommüll ist immer noch da, und von einer langfristig möglichst sicheren Lagerung sind wir noch sehr weit entfernt.“