: Eine Generalversammlung für alle
Liebe Leserinnen und Leser,
Sie können sich nicht vorstellen, welche Aufregung seit Wochen durch die Flure des taz-Hauses in der Friedrichstraße fliegt. Insbesondere im ersten Stock, da, wo das Reich der Geno-Abteilung ist, brummt es, selbst wenn coronabedingt nicht mehr als zwei Personen gleichzeitig die Schreibtische besetzen dürfen. Es wurden Filme gedreht, Tagesordnungen aufgestellt, umgestoßen und neu kombiniert, das Für und Wider verschiedener Chatprogramme, Moderationstools und Voting-Maschinen abgewogen und eingeladen, eingeladen, eingeladen. Alles für heute, für die erste virtuelle Genossenschaftsversammlung.
Das Rascheln der Genoss*innen
Er werde das Rascheln des Zeitungspapiers vermissen, wenn es die taz dereinst nur noch digital gebe, rief ein Genosse vor zwei Jahren auf unserer Mitgliederversammlung in Richtung Podium. Das „Rascheln von Papier“ ist in der taz seitdem zum geflügelten Wort geworden für alles, was auch durch die tollste Technik nicht aufzuwiegen ist.
In diesem Jahr gibt es zwar noch eine taz auf Papier, aber dafür werden keine Genoss*innen die Treppe der Böll-Stiftung hinaufrascheln, um in den Sitzungssaal zu gelangen. Es wird kein Räuspern und Husten aus dem Publikum geben, kein Gelächter, kein Murren, keine Redebeiträge, keinen Applaus. Die Gabeln werden mittags nicht auf den Tellern klirren und auch das tiefe Ausatmen der Raucher*innen ist gestrichen. Oh, wie wir das alles vermissen werden!
Aber blicken wir nach vorne, denn wie immer gibt es auch bei unserer notgedrungen digitalen Versammlung eine gute Seite: Jede*r kann dabei sein! Wie famos ist das denn bitte? Nicht nur die rund drei Prozent Genoss*innen, welche die oft stundenlange Anreise nach Berlin auf sich nehmen, können dabei sein. In diesem Jahr kann sogar unser Genossenschaftsmitglied abstimmen, das auf Barbados lebt. Und die aus der Republik Benin. Rund 400 unserer Mit-Genoss*innen leben im Ausland! Und auch Sie müssen nicht von Ihrer Almhütte herunterkraxeln oder von Ihrer Nordseehallig herbeisegeln. Eine Internetverbindung brauchen Sie natürlich schon. Und wenn Sie sich zuschalten werden, führen wir Sie durch den Tag mit den Berichten von Vorstand und Aufsichtsrat am Vormittag. Und natürlich den Abstimmungen.
Am Nachmittag dann stellt sich die neue Chefredakteurin Ulrike Winkelmann vor, wir machen Podien zu Rassismus, Klima und den Veränderungen im Journalismus, und natürlich bringen wir Sie auf den Stand der Produktentwicklung. Alles livegestreamt und mit Chatfunktion. Sie können also heute dabei sein. Außerdem stellt sich heute um 16.20 das Klima-Hub der taz vor und Luisa Neubauer und Quang Paasch von Fridays for Future dürfen wir um 16.40 als Gastredner*innen begrüßen.
Viele sind inzwischen sehr versiert, was Chat-Formate betrifft, aber einige von Ihnen werden sich sicher sorgen, ob sie das alles technisch auch hinkriegen. Kriegen Sie! Im Grunde ist es genauso einfach, wie Genoss*in zu werden. Bisschen was durchlesen hier, bisschen was ausfüllen dort. Und ein paar Mal klicken. Ist zwar kein Papierrascheln, aber auf der Genoversammlung des Jahres 2079 wird möglicherweise einx Genossx per Hologramm beitragen, das Klicken der Computermaus zu vermissen, wenn die taz erst per Magnetstrahl direkt ins Hirn gebeamt wird.
Bis dahin dauert es zum Glück noch etwas. Lassen Sie uns also heute gemeinsam das bis dato größte taz-Mausklicken der Geschichte zelebrieren! Bis gleich im Internet!
Wir freuen uns auf Sie!
Stefanie Urbach (Aufsichtsrätin der taz) und Barbara Junge (taz Chefredakteurin)
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