Annegret Kramp-Karrenbauer im Interview: „Durchschnaufen wird mir guttun“

Die scheidende CDU-Vorsitzende über Rechtsextremisten in der Bundeswehr, die Aufnahme von Geflüchteten und ihr großes Ziel.

AKK im CDU-Haus

Annegret Kramp-Karrenbauer in der CDU-Parteizentrale Foto: Jens Gyarmaty

taz: Frau Kramp-Karrenbauer, einer Ihrer Söhne ist Polizist. Können die Bürger:innen ihm und seinen Kolleg:innen noch vertrauen?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Ja.

Klar, Sie vertrauen ihm. Aber das Vertrauen in die Polizei ist gestört.

Ich vertraue den Polizistinnen und Polizisten. Als ehemalige Innenministerin weiß ich: Die allermeisten stehen ohne Wenn und Aber zu unseren demokratischen Werten. Dass es auch im Verhältnis dazu wenige andere gibt, sollte unser Vertrauen in die Unbescholtenen nicht erschüttern.

Annegret Kramp-Karrenbauer, 58, ist CDU-Vorsitzende und Bundesverteidigungsministerin. Im Februar kündigte sie ihren Rückzug als Partei­chefin an. Als Ministerin setzt sie sich für die Wiedereinführung der Wehrpflicht und für Lockerungen bei Rüstungsexporten ein.

Als Verteidigungsministerin sind Sie mit dem Rechtsextremismus in der Bundeswehr befasst. Eine Kompanie des Kommandos Spezialkräfte, des KSK, wurde auf Ihre Weisung hin aufgelöst. Anlass war der Fund von Waffen und Munition bei einem KSK-Soldaten. Er hat diese Dinge von der Bundeswehr geklaut. In welche Netzwerke ist oder war er eingebunden?

Die Untersuchungen laufen weiter, wir kommen mit der Aufklärung voran. Wir werden in den nächsten Wochen erste Ergebnisse vorlegen. Von Anfang an sind alle Möglichkeiten, also von Schlamperei bei der Munitionsverwaltung bis zum bewussten Beiseiteschaffen, genau untersucht worden. Besonders schauen wir uns an, ob Bundeswehrangehörige Munition abzweigt, gehortet und weitergegeben haben.

Also an Personen, die einen Umsturz vorbereiten, den Tag X.

Ja, solche Personen gibt es leider – nicht nur in der Bundeswehr.

AKK in ihrem Büro

Kramp-Karrenbauer in ihrem Büro Foto: Jens Gyarmaty

Warum haben Sie nur diese Kompanie aufgelöst?

Bei den Untersuchungen zu Rechtsextremismus ergaben sich immer wieder Bezüge zur 2. Kompanie. Anfang August haben wir sie aufgelöst. Jeder Soldat der Kompanie wird noch einmal persönlich betrachtet. Kann er im KSK bleiben? Muss er versetzt werden? Das braucht Zeit, dennoch bestätigt sich schon jetzt, dass es richtig war, diese Kompanie aufzulösen.

Das klingt besorgniserregend.

Auch hier darf man nicht alle über einen Kamm scheren. In der 2. Kompanie gibt es unbescholtene Soldaten, insbesondere die, die nach 2017 dazugekommen sind. Als Ministerin gebe ich denen im KSK und in der Bundeswehr Rückendeckung, die sagen: Wir sind für unsere Demokratie in die Bundeswehr gegangen, wir haben einen Eid abgelegt. Diese Soldaten ermutige ich.

Das Netzwerk von Prepper-Chatgruppen des langjährigen KSK-Soldaten André S. alias „Hannibal“ hat nach taz-Recherchen seinen Ursprung im KSK. Es reicht bis in die Polizei und in den Verfassungsschutz. Sind Sie sicher, dass dieses Netzwerk nicht mehr existiert?

Wir hoffen, dass durch das gemeinsame Vorgehen der politischen und militärischen Führung, durch das Auflösen der 2. Kompanie und das Maßnahmenpaket die Mauer des Schweigens bricht und wir auch Hinweise auf andere Vorfälle in der Vergangenheit bekommen. Das deutet sich bereits an, insbesondere in der Arbeit des MAD. Gerade erkennen wir zunehmend, dass es unterschiedliche Szenen von Rechtsextremen gibt. Die sind offenbar enger im Kontakt, als wir das bisher wahrgenommen haben. Es ist eine Herausforderung, aus diesen Puzzleteilen ein Gesamtbild zu formen.

Jetzt haben Sie entschieden, MAD-Chef Christof Gramm in den Ruhestand zu versetzen. Ist das Ihr Eingeständnis, dass er das Rechtsextremismusproblem unterschätzt hat?

Herr Gramm hat im MAD viel geleistet, gerade auch im Kampf gegen Rechtsextremismus. Jetzt kommen wir in eine neue Phase der Modernisierung dieser Behörde, die wir auch personell sichtbar machen wollen.



Gramm sagte noch Ende 2018, dass keine Vernetzung gewaltbereiter Rechtsextremisten in der Bundeswehr stattfinde. Aber all die Probleme, über die wir heute reden, gab es damals schon. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie nicht immer entscheidende Schritte hintendran sind?


Wir haben in Bezug auf Rechtsextremismus in der Bundeswehr klare Entscheidungen getroffen und stellen den MAD weiter so auf, dass er schlagkräftig ist. Ermittlungsergebnisse zeigen, dass gerade diese Arbeit zu Aufklärung schwerwiegender Fälle und zu Zugriffen geführt hat. Gleichzeitig streite ich gerade dafür, dass wir die gesetzlichen Grundlagen bekommen, um den MAD an den Informationsaustausch mit dem Verfassungsschutz auch technisch enger anzubinden und vor allem um auch Chats Extremismusverdächtiger analysieren zu können. Gerade dort spielt sich leider vieles ab.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Was muss Gramms Nachfolger:in verändern?

Der eingeschlagene Weg der Neuaufstellung des MAD muss konsequent fortgesetzt werden. Die Erneuerung von Organisation, Arbeitsweisen und Personal im MAD muss dynamisch vorangehen. Und der Blick muss über Einzelfallbetrachtungen hinaus auch auf Netzwerke und Ermöglichungsstrukturen gerichtet werden – in enger Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden.

Ein anderes Thema. Die Bundesregierung will 1.500 anerkannte Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen. In der CDU warnten sofort manche, dass sich „2015 wiederholt“. Was fürchten diese Parteifreund:innen?

Wir hatten 2015 eine große Welle der Hilfsbereitschaft, standen aber auch vor großen Herausforderungen. Später haben wir gesehen, dass Deutschland in Europa ein Stück weit alleine war. Was wir 2020 in Moria erreichen müssen, ist, dass Europa vor Ort Aufnahmeeinrichtungen betreibt und bei den Verfahren hilft. Das ist auch der neue Ansatz der Kanzlerin und des griechischen Regierungschefs.

Noch einmal: Was befürchten sie?

Sie befürchten, dass es wieder eine solche Debatte in Europa gibt. Auch Griechenland will ja nicht, dass das gesamte Lager geräumt wird und alle Geflüchteten in Europa verteilt werden. Und gerade sehen wir ja, wie kontrovers die Vorschläge von Ursula von der Leyen zu einer Reform des Asylsystems in Europa diskutiert werden.

Also macht man es so schlimm wie möglich, damit keiner mehr kommt.

Nein, das darf es gerade nicht sein. Denn wir sehen, dass leider eine Reihe europäischer Staaten nach dem Motto zu handeln scheint, wer behandelt die Geflüchteten am schlechtesten, damit die Menschen weiterziehen. Deutschland nimmt nun Geflüchtete aus Griechenland auf, die bereits ein Asylverfahren durchlaufen haben. Es geht darum, die Regeln einzuhalten und durchzusetzen, um Migration zu steuern, zu ordnen und zu begrenzen. Diese Familien haben eine Perspektive zu bleiben. Da werden wir gegebenenfalls auch allein unterstützen.

Der Reflex aus der CDU, abzuschotten, ist deutlich. Wie verträgt sich das mit dem C in ihrem Namen?

Deutschland nimmt täglich im Schnitt 300 bis 400 Geflüchtete auf, versorgt sie und kümmert sich um vernünftige Unterkünfte. Unser Land leistet einen großen Beitrag. Ich kenne viele CDU-Mitglieder, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren und die bereit sind, aufzunehmen. Und ich kenne in der CDU auch Menschen, die auf Probleme hinweisen. Das ist eine Debatte, die wir als Volkspartei führen müssen. Die ganz große Mehrheit der CDU aber sagt, dass es richtig ist, was die Bundesregierung macht. Unser Wertekompass stimmt.

Im Dezember wählt die CDU einen neuen Vorsitzenden. Sie haben nach der Thüringenwahl Ihren Abschied angekündigt. Wie geht es Ihnen damit heute?

Mir geht es gut. Ich bin sicher, dass es die richtige Entscheidung war – für die Partei und für mich. Zurzeit bin ich sehr damit beschäftigt, dass unserer Parteitag unter den gegebenen Hygiene-Vorschriften stattfinden kann.

Für den kommenden Montag haben Sie alle drei Bewerber um Ihr Amt zum Gespräch geladen. Unter anderem, „damit aus diesem offenen, demokratischen Wettrennen kein ruinöser Wettbewerb wird“. Das klingt nicht gut.

Es spricht für die Partei, dass es mehrere Bewerber gibt. Trotz Corona sollen alle Mitglieder die Möglichkeit haben, sich ein objektives Bild der Kandidaten zu machen. Wir überlegen, ob wir dazu ein Diskussionsformat starten. Ich möchte vermeiden, dass es nach dem Windhundprinzip zugeht – also welcher Landesverband lädt die drei als Erstes ein, welcher nicht? Alle sollen die gleichen Chancen bekommen.

Mit Ihnen und Angela Merkel verlassen gleich zwei Frauen die Führungsebene. Auf Sie folgt ein Mann und damit ein Kanzlerkandidat. Haben Sie Ihren Anspruch, die CDU attraktiv für Frauen zu machen, nicht eingelöst?

Nein!

Warum lachen Sie?

Wegen Ihrer Frage. Ich kann mich noch gut an die Debatten erinnern, als Angela Merkel Vorsitzende wurde. Da hatten alle das Gefühl, jetzt geht die CDU unter. Dann hatten wir die Debatte erneut, als auf eine Frau wieder eine Frau gefolgt ist. Wenn jetzt angenommen wird, dass die CDU zugrunde geht, wenn ein Mann sie führt, zeigt das, wie viel sich in meiner Partei verändert hat. Ich habe immer gesagt, dass unsere personelle Aufstellung eine Momentaufnahme ist. Das Ziel der Frauenquote muss sein, damit wir als CDU eine Normalität schaffen, in der Frauen am Ende paritätisch Führungspositionen besetzen.

Aber wie kann es sein, dass die Riesenpartei CDU keine einzige Frau hat, die sich um den Vorsitz bewirbt?

Das müssen Sie die Frauen fragen, die dafür infrage kämen. Es gibt viel sehr talentierte Politikerinnen in der CDU, die noch nicht im Rampenlicht stehen. Da bin ich sehr optimistisch.

Haben Sie keine Netzwerke?

Dass ich beim letzten Parteitag zur Vorsitzenden gewählt worden bin, hatte durchaus etwas mit dem „Networking“ der Frauen in der CDU zu tun. Trotzdem, der Stand jetzt ist nun mal, dass keine Frau für den CDU-Vorsitz kandidiert. Das wird kein Dauerzustand bleiben.

Frau Kramp-Karrenbauer, wenn Sie Anfang Dezember die Messe in Stuttgart verlassen – gehen Sie dann feiern oder weinen?

Das wird wohl eine Mischung sein. Das Konrad-Adenauer-Haus zu verlassen wird schwer. Das ist ein toller Laden mit tollen Kolleginnen und Kollegen. Aber ich werde vermutlich auch froh sein, das zu tun, was ich mir vorgenommen habe: den Staffelstab weitergereicht zu haben. Durchschnaufen wird mir guttun. Ich bleibe Bundesverteidigungsministerin und ich möchte weiter mitgestalten. Das große Ziel bleibt, dass meine Partei CDU die nächste Bundestagswahl gewinnt.

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

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