Politik mit Gazprom-Zahlen

Bei der Festlegung des Gasbedarfs und bei den Klimaauswirkungen vertraut die Bundesregierung auf den russischen Staatskonzern, der Nordstream 2 baut

Von Malte Kreutzfeldt

Die Bundesregierung vertraut bei zentralen energiepolitischen Fragen auf Zahlen, die vom staatlichen russischen Energiekonzern Gazprom kommen. So stammen die Annahmen zur weiteren Entwicklung des europäischen Gasbedarfs, mit denen unter anderem die Notwendigkeit der neuen Pipeline Nordstream 2 begründet wird, vom Betreiber Nord Stream AG. Der gehört komplett zum Gazprom-Konzern, der auch das durch die Pipeline transportierte Gas liefern will. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Frage des Grünen-Politikers Oliver Krischer hervor, zuerst hatte der Tagesspiegel darüber berichtet.

Das von Peter Altmaier (CDU) geführte Ministerium schrieb in einer Mail, der für den Bau der Pipeline angenommene „Mehrbedarf an Erdgas in Europa von mindestens 100 Mrd. m[3]“ beruhe auf „Szenarien der Nord Stream 2 AG“ aus dem Jahr 2016. Krischer übt daran scharfe Kritik. „Man kann doch keine veralteten Daten der Nord Stream AG und damit direkt von Gazprom und Wladimir Putin zur Rechtfertigung von Pipelines verwenden“, sagte er.

Das Wirtschaftsministerium erklärte dazu auf Anfrage, auch andere Studien gingen von einem steigenden Gasbedarf aus. Andere Szenarien, etwa vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, nehmen dagegen an, dass der Gasbedarf in Europa sinkt.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) weist unterdessen darauf hin, dass sich die Politik auch bei den Klimaauswirkungen des russischen Erdgases auf Angaben von Gazprom stützt. So beziehe sich das Umweltbundesamt in seinen Angaben zur Frage, wie viel klimaschädliches Methan bei der Erdgasförderung in die Atmosphäre gelangt, auf Angaben von Gazprom, was aber durch zwischengeschalteten Publikationen nicht leicht ersichtlich sei. Die Behörde bestätigte auf Anfrage, dass es aus Russland keine unabhängigen wissenschaftlichen Daten zu Methan-Lecks gibt.

Auf diese Weise werde die Klimabilanz von Erdgas mit „veralteten und nicht überprüf­baren Daten“ geschönt, kritisiert DUH-Energieexperte Konstantin Zerger. Wegen der falschen Annahmen zu den Methan-Lecks klagt der Verband gegen die Genehmigung von Nordstream.