heute in hamburg: „Ein Herz für die Schwachen“
Interview Alexander Diehl
taz: Herr Johannsen, Sie treten heute nicht zum ersten Mal bei einem Poetry Slam auf.
Carsten Martin Johannsen: Ich glaube, ich habe ungefähr 100 davon hinter mir. Auch in Altona bin ich inzwischen 16 Mal aufgetreten.
Sind Sie da – vielleicht schon durch Ihr Alter – ein Exot?
In Altona nicht. Da bin ich zwar der Älteste, das stimmt. Aber ich bin da ja unter Kollegen, und generell neiden wir uns nichts. Der Begriff „Slam“...
... zu Deutsch: „zuschlagen“...
... ist da gar nicht immer angebracht.
Schreiben Sie denn dauernd?
Ich bin, glaube ich, schon fleißig. Aber das Wort will ich eigentlich gar nicht so gerne gebrauchen: Fleiß. Ich sehe es eher als Geschenk, Einfälle zu haben.
Dass jemand mit Ihrem Hintergrund zum Schreiben findet, ist ja nicht ganz selbstverständlich.
Da waren schon gewisse Zufälle im Spiel. Ein großer Chinese hat mal gesagt: Wenn ein Mensch voll Leidenschaft ist, braucht er die nur von einem Gegenstand auf den anderen zu übertragen. Mit der gleichen Leidenschaft, mit der ich etwa Pferde gezüchtet habe, bin ich dann auch ins Schreiben eingestiegen.
Wissen Sie noch, wie das los ging?
Das erste Gedicht hab ich in der Schule geschrieben – über Tierquälerei. Das ist aber leider verschollen. Später hab ich dann mal eins geschrieben für eine Zeitung namens Kilowattenmeer...
... herausgegeben in den späten 1970er-Jahren vom Niebüller „Arbeitskreis gegen Atomkraftwerke im Wattenmeer und auf dem Festland“...
Poetry Slam „frei gesprochen?!“: 19.30 Uhr, Kulturkirche Altona, Bei der Johanniskirche 22. Einlass ab 18.30 Uhr
... das war gegen die Atomkraft. Auch gegen den Vietnamkrieg habe ich gedichtet. Und viel später dann auch gegen den Irakkrieg. Das hängt zusammen mit einer gewissen Aufregung. Und vieles entsteht aus einer Art Mitleid. Man hat ja ein Herz für die Schwachen, für die militärisch Unterlegenen.
Was sind heute Ihre Themen?
Die Schöpfung, vor allem die Umwelt. Die Natur gibt uns längst ihre Antwort auf unser Tun. So wie wir sie schänden, das bleibt nicht unbeantwortet.
Haben Sie beim Schreiben Vorbilder gehabt?
Keine echten Vorbilder. Aber wir haben hier in der Region mit zehn, elf Leuten wöchentlich oder alle 14 Tage ein „Philosophisches Café“ ausgerichtet. Da habe ich sehr viel gelesen, philosophische Sachen. Kant hat mal gesagt: Philosophie kann man im Lehnstuhl studieren – und das hab ich versucht.
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