Ein Stein für die Mörder

Lüneburger Gericht verhandelt über Wehrmachtsdenkmal

Es klingt wie eine Drohung: „Es sage keiner, dass unsere Gefallenen tot sind“ steht auf einem Lüneburger Gedenkstein, den ein Wikingerschiff sowie Lettern in einem Mix aus Tannenburg- und Gotenburg-Schrift aus der NS-Zeit zieren. Gewidmet ist er der 110. Infanterie-Division der Wehrmacht, die 1940/41 in Lüneburg für den Überfall auf die Sowjetunion aufgestellt wurde. Sie hat unter anderem 1944 im weißrussischen Osaritschi 50.000 Zivilisten in Todeslager deportiert. 9.000 starben.

Den Veteranenverband, der den Stein 1960 initiierte, störte es nicht. Die Stadt hat ihn getreulich gepflegt, die Manzke-Friedensstiftung eine Tafel aufgestellt, die unter anderem Verständnis für die jungen Gefallenen bekundete.

Außer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes irritierte das niemanden: Bis 2015 zum Prozess gegen den Ex-SS-Wachmann im KZ Auschwitz, Oskar Gröning, Schoah-Überlebende anreisten und den Stein empörend fanden. Also erstellte die Stadt 2018 eine neue Tafel mit dem Text: „Erinnerungskultur ist zeit- und kontextgebunden. 1960 versprach die Stadt, das Denkmal als ,Ehrenmal‘ zu bewahren und zu pflegen. Heute ist er umstritten und ein Stein des Anstoßes – schmerzhaft in seiner Aussage, verletzend für die Nachfahren der Opfer“.

Klar benennt die Tafel auch die Kriegsverbrechen. Aber das reiche nicht, sagt Joachim Gottschalk, Ehemann einer jener KlägerInnen, die die Verhüllung des Steins erstreiten wollten. Die Stadt lehnte ab. Also wird es bei der Verhandlung am 16. September vor dem Lüneburger Verwaltungsgericht nur um den „Hilfsantrag“ gehen, den Kompromiss: Die Tafel soll künftig nicht nur von Verbrechen „gegen die Menschlichkeit“ sprechen, sondern „den Völkermord an Zivilisten benennen und erklären, dass Wikingerschiff und Schrifttyp ihre Wurzeln in der NS-Ideologie haben.

Im Übrigen schweigt sich Lüneburg aus. Auf Gottschalk angesprochen, reagiert mancher schmallippig und findet, der „rühre mal wieder alles auf“. Subtext: Man solle die Vergangenheit ruhen lassen. Aber, siehe NSU, sie ruht ja nicht. Petra Schellen