: Flasche des Anstoßes
Der Franzose Julian Alaphilippe verliert auf Etappe 5 das gelbe Trikot des Gesamtführenden, weil er in der Verbotszone, weniger als 20 Kilometer vorm Ziel, etwas trinkt. Davon profitiert der Brite Adam Yates
Aus Privas Tom Mustroph
Manchmal verändert eine Flasche ein Rennen. Diese Erfahrung machte Frankreichs Radliebling Julian Alaphilippe bei der aktuellen Tour de France. Auslöser war ein Betreuer seines Teams Deceuninck Quick Step, der seine GPS-Daten offenbar falsch interpretiert hatte. Etwa 17 Kilometer vorm Ziel der 5. Etappe stand er am rechten Straßenrand und reichte dem im gelben Trikot fahrenden Franzosen Verpflegung. Die Sache war aber verboten.
Das UCI-Reglement sieht unter dem Artikel 2.3.027 vor: „Jedwede Verpflegung vom Auto aus oder zu Fuß ist auf den ersten 30 und den letzten 20 km verboten.“ Der Deceuninck-Betreuer machte aber genau das. Und Alaphilippe bekam eine 20-Sekundenstrafe aufgebrummt und verlor das gelbe Trikot. Er nahm die Sanktion immerhin mit Gelassenheit hin. „Ja, ich habe mich in einer nicht erlaubten Zone verpflegt. Das Reglement geht so, und Adam Yates hat das gelbe Trikot bekommen“, sagte er lapidar.
Sogar sein Teamchef Patrick Lefevere, der sonst für heftiges Austeilen gegen alle und jeden bekannt ist, äußerte sich überraschend verständnisvoll. „Wir kennen die 20-km-Regel, wir wissen, was das bedeutet“, sagte er der Zeitung Le Parisien. Er erklärte auch die Dynamik, die zu dem Vorfall geführt hatte. „An den Stellen zuvor war eine Flaschenübergabe ziemlich gefährlich, die Fahrer hatten da 70 km/h drauf. Dann gab es diese flache Stelle, es war die einzige Gelegenheit, noch eine Flasche zu übergeben.“
Da war allerdings schon die 20-km-Linie überschritten. Lefevere gewann schließlich der Sache noch eine positive Seite ab. „Es ist hart, auf diese Weise Gelb zu verlieren, aber so sind die Regeln. Es ist gut, dass sie angewandt werden. Und auch das gelbe Trikot steht nicht über den Dingen.“ So recht freuen mochte er sich über die strikte Anwendung der Regel aber nicht. „Julian hat es nicht verdient, das Trikot auf diese Weise zu verlieren“, betonte der Teamboss.
Damit befand er sich sogar in Einklang mit dem Profiteur der Sanktion, dem Briten Adam Yates. „Ich glaube, kein Fahrer will auf solche Art Gelb übernehmen“, sagte Yates. Er war schon fast mit dem Teambus vom Zielort Privas abgefahren, als die Order eintraf, er solle zur Siegerzeremonie kommen.
Für Yates bedeutet das Überstreifen des gelben Trikots allerdings auch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. 2016 hatte er auf dem Mont Ventoux eigentlich bereits das Textil errungen – auch weil Chris Froome nach Zusammenprall mit einem Motorrad erst durch seinen berühmt gewordenen Fußmarsch das Ziel erreicht hatte. Die Rennkommissäre schrieben Froome aber die so verlorene Zeit wieder gut, und Yates stand ohne Führungsleibchen da. Auch damals nahm er es sportlich. „Auf diese Art und Weise wollte ich es nicht erringen“, kommentierte er die Situation.
Jetzt ist er aber in Gelb, halb ungewollt zumindest. Auf die Frage von Reportern, ob er das Trikot auch anziehen werde, meinte er nur spöttisch: „Natürlich werde ich das, sonst bekomme ich ja eine Strafe aufgebrummt.“ Eine, die sehr happig ist. Unter Paragraf 2.12.007 schreibt die UCI, dass die Weigerung, das Führungstrikot zu tragen, eine Strafe von 500 Euro und den Ausschluss vom Rennen nach sich zieht. Yates bekleidete sich also brav. Er und alle seine Kollegen sollten aber auch aufpassen, stets ordnungsgemäß gekleidet zur Siegerehrung zu kommen. Unangemessene Kleidung kostet ebenfalls 500 Euro. Wenigstens darf man dann weitermachen.
Die Startnummer nicht zu tragen, kann bis zu 1.000 Euro kosten, die falsche Regenjacke anzuziehen, also nicht die offizielle vom Team, 500 Euro. Einen Zuschauer schlagen, kann bis zu 2.000 Euro kosten. Der Italiener Domenico Pozzovivo ließ sich dazu zum Glück nicht hinreißen, als er auf der ersten Etappe dieser Tour durch einen Zuschauer, der tatsächlich ein Selfie im Rennen machen wollte, zu Fall gebracht wurde. Er bedankte sich nur ironisch über die sozialen Medien.
Dass trotz der Pandemieregeln immer noch Zuschauer auf Selfie-Jagd gehen, ist einfach bedauerlich. Alaphilippes Verlust des gelben Trikots durch Verletzung der 20-km-Regel ist hingegen ein Hinweis darauf, wie durchreguliert ein Radrennen ist.
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