Asklepios hält dicht

Seit mehr als einem Jahr ist die Kinderstation der Asklepios Klinik in Parchim geschlossen. Schon vorher gab es dort offenbar schwerwiegende Probleme. Einmal mit tödlichen Folgen

Was hier offenbar passiert ist, empört viele: Die Asklepios Klinik in Parchim Foto: Imago/BildFunkMV

Von Marthe Ruddat

Seit die Kinderstation der Asklepios Klinik in Parchim im Juni vergangenen Jahres geschlossen worden ist, wiederholt der Krankenhaus-Konzern seine Aussagen: Man suche nach Ärzt*innen, finde aber keine. Deshalb sei die Station dicht (taz berichtete). Doch erneut sieht sich der Konzern mit dem Vorwurf konfrontiert, die Abteilung gar nicht wieder eröffnen zu wollen, weil sie nicht genug Profit abwirft. Hinzu kommt, dass es auf der Kinderstation offenbar schon vor der Schließung erhebliche Probleme gab.

Das ARD-Magazin „Kon­traste“ berichtete von dem Fall eines zweijährigen Mädchens, das im März 2019 an einer Lungenentzündung starb. In dem Beitrag berichten die Eltern, wie schlecht es dem Mädchen ging. Aber erst sieben Stunden nach Aufnahme des Kindes soll ein Röntgenbild veranlasst worden sein, anschließend sollen dem Kind Antibiotika verabreicht worden sein. Die Zweijährige erholte sich jedoch nicht mehr. Sie musste wiederbelebt werden, wurde daraufhin in die Kinderklinik nach Schwerin verlegt und starb dort.

Wie die Staatsanwaltschaft Schwerin auf Anfrage der taz bestätigt, ermittelt sie in dem Fall wegen „des Verdachtes des Unterlassens gebotener ärztlicher Maßnahmen“ gegen zwei Ärzte. Die Ermittlungen sollen klären, ob der Tod des Mädchens vermeidbar war.

Laut dem „Kontraste“-Bericht liegt der Staatsanwaltschaft ein medizinisches Gutachten vor, das den Parchimer Ärzten schwere Versäumnisse attestiert. Ein tödlicher Verlauf der Erkrankung hätte demnach durch eine rechtzeitige antibiotische Therapie verhindert werden können. Da die Akten zu Ermittlungszwecken versandt wurden, kann die Staatsanwaltschaft diese Formulierung nach eigenen Angaben nicht bestätigen.

Auch der Ärztekammerpräsident aus Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Crusius, erhebt schwere Vorwürfe gegen Asklepios. Denn als das Mädchen in Parchim behandelt wurde, waren ein Assistenzarzt im ersten Ausbildungsjahr und ein Allgemeinmediziner im Dienst. Das entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben, sagt Crusius zur taz. Ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin hätte demnach anwesend sein müssen.

Laut Asklepios standen die behandelnden Ärzte „im engen Austausch“ mit dem Chefarzt der Abteilung, der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist. Doch Crusius sagt, dieser sei nicht einmal in Parchim gewesen. Asklepios konnte die entsprechende taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht beantworten.

„Wir werden rechtliche Schritte prüfen und in die Wege leiten“, sagt Crusius. Dabei gehe es zum einen um Organisationsverschulden, was meint, dass Ärzte mit unzureichender Qualifikation im Dienst waren. Zum anderen gehe es um Übernahmeverschulden, also darum, dass jemand eine Aufgabe übernommen hat, die er nicht erfüllen kann.

„Wir werden rechtliche Schritte prüfen und in die Wege leiten“

Andreas Crusius, Ärztekammerpräsident Mecklenburg-Vorpommern

Julian Barlen, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, fordert die juristische Aufklärung des Falls. Auch er wiederholt, ebenso wie Vertreter*innen von Linken und Grünen, seine Kritik an Asklepios wegen der Schließung der Abteilung. Denn wie die taz schon im September vergangenen Jahres berichtete, hatte Asklepios mehreren Ärzt*innen gekündigt, um dann einen Ärzt*innenmangel zu beklagen und die Abteilung deshalb zu schließen.

Politiker*innen und Bürger*innen glaubten Asklepios nicht. Sie werfen dem Konzern vor, die Abteilung aus Profitinteresse nicht wieder eröffnen zu wollen und sich nicht an den mit dem Land geschlossenen Versorgungsauftrag zu halten. Asklepios streitet das vehement ab. Dabei konnte dem Konzern nachgewiesen werden, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Heute sagt Asklepios, es habe nur eine Bewerbung einer Fachärztin gegeben, deren Einstellung nicht zustande gekommen sei. Man bemühe sich weiterhin um Personal, um die Station wieder öffnen zu können.

Um zumindest für die Versorgung kranker Kinder- und Jugendlicher in der Gegend etwas zu tun, präsentierte Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) im Dezember gemeinsam mit Asklepios die Idee, eine Tagesklinik in Parchim einzurichten (taz berichtete). Das Land sollte dafür eine*n Ärzt*in bezahlen und einen Hubschrauberlandeplatz bauen, damit Notfälle schnell nach Schwerin geflogen werden können. Passiert ist von all dem offenbar nichts. Asklepios sagt, auch hier fehlt ein*e Fachärzt*in. Das Ministerium beantwortete eine entsprechende Anfrage der taz bis Redaktionsschluss nicht.