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Die Zukunft des Journalismus ist transnational

taz.gazete hat Politik und Gesellschaft nie national, sondern grenzüberschreitend gedacht

gazete hat sich eingereiht in die Geschichte reger migrantischer Publikation in Deutschland

Von Volkan Ağar

Vor ein paar Wochen haben in Wien türkeistämmige Rechtsextreme ein linkes Kulturzentrum angegriffen. Zum Glück waren die Türen des Ernst-Kirchweger-Hauses gut verriegelt. Schlimmeres konnte verhindert werden. Zuvor hatten jene Rechtsextremen eine Demonstration von kurdischstämmigen und anderen Linken angegriffen.

In den Tagen danach waren österreichische Zeitungen voll mit Texten über einen „Türken-Kurden-Konflikt“. Nicht nur der Boule­vard blieb der Idee verhaftet, dass dieser Gewaltausbruch im migrantischen Bezirk Favoriten seine Ursprünge allein in der Türkei, nicht aber in Österreich habe. Wien-Favoriten wurde zum Symbol eines importierten Konflikts. Was für ein Denkfehler.

Nachdem die Leitartikel und Reportagen gedruckt waren, meldete sich der Wiener Politologe Ilker Ataç mit einer Analyse zu Wort. Sein Argument: Weil wir Politik in einer vernetzten, mobilen, transnationalen Welt immer noch national denken, schaffen wir es nicht, zu verstehen, was wirklich passiert ist. Nicht nur waren an den Auseinandersetzungen ohnehin in Österreich geborene Menschen beteiligt. Der „Türken-Kurden-Konflikt“ hat seine Wurzeln auch in einer jahrzehntelangen autoritären Haltung eines türkischen Staates, der Teil einer politisch-ökonomischen Weltgemeinschaft ist; und der auch deshalb in Wien ausbricht, weil europäische Staaten diese Haltung seit jeher tolerieren, um eigene Interessen zu sichern. Auch Österreich. Auch Deutschland.

Was hat das alles mit taz.gazete zu tun? Sehr viel. taz.gazete hat genau das gemacht, was Ataç vermisst: Politik nie als rein „türkische“ oder „deutsche“ Politik begriffen, sondern in transnationalen Zusammenhängen gedacht, diskutiert, berichtet: das europäisch-türkische Flüchtlingsabkommen und das damit gefestigte Grenzregime; der neue Istanbuler Flughafen, auf dem auch deutsche Unternehmen mit großen Profiten mitmischen; Parlamentswahlen in beiden Staaten, vor denen mit diplomatischen Eskalationen mobilisiert wurde; ein Putschversuch in der Türkei und der darauffolgende Exodus nach Deutschland; oder der Rassismus, der immer noch die Lebensrealität derer prägt, deren Eltern einst als Gast­arbei­ter:innen nach Deutschland kamen.

Gewissermaßen hat taz.gazete damit einen Vorgeschmack auf den Journalismus der Zukunft gegeben, von dem immer alle reden. Denn dieser wird nicht nur digital, sondern auch transnational, vielleicht postnational. Nicht weil sich das cool anhört. Sondern weil das Nationale an Bedeutung verliert. So hat sich taz.gazete eingereiht in die Geschichte reger migrantischer Publikation in Deutschland. Und wie viele andere vor ihr findet nun auch taz.gazete ein Ende. Möglicherweise waren wir der Zeit einfach ein bisschen voraus. Möglicherweise werden wir noch ein paar weitere Jahre von importierten Konflikten lesen.

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