„NSU 2.0“-Drohschreiben: Hessens Innenminister unter Druck

Das LKA habe ihn erst Monate später über die Drohschreiben informiert, wetterte Peter Beuth. Dazu gibt es Widerspruch.

Hat seine Truppe nicht ganz im Griff: Minister Peter Beuth zu Besuch bei der Polizeiakademie Hessen Foto: Arne Dedert/dpa

FRANKFURT AM MAIN taz | Der hessische Innenminister Peter Beuth, CDU, ist im Zusammenhang mit den rechtsextremistisch motivierten Morddrohungen gegen die Linken-Politikerin Janine Wissler in arge Erklärungsnot geraten. Vor einer Woche war bekannt geworden, dass bereits im Februar unter dem Absender „NSU 2.0“ Drohmails an die Bundesvize und Landtagsfraktionschefin der hessischen Linken verschickt worden waren. Zuvor hatte es zudem einen Abruf persönlicher Daten der Abgeordneten von einem Polizeicomputer gegeben.

Der Fall wies Parallelen zu dem der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız auf. Seit August 2018 erhält Başay-Yıldız, die im Münchner NSU-Prozess eine Opferfamilie vertrat, Morddrohungen mit rassistischem und rechtsextremistischem Inhalt vom „NSU 2.0“. Auch von ihr wurden zuvor persönliche Daten von einem Polizeicomputer abgerufen. Seit 21 Monaten ermitteln deshalb die hessischen Behörden, angeblich „mit Hochdruck“, allerdings bislang ohne Erfolg.

Mit einem denkwürdigen Auftritt demonstrierte am Donnerstag der hessische Innenminister in dieser Sache eine neue Entschlossenheit. Er räumte erstmals ein, dass es in der hessischen Polizei ein rechtsextremistisches Netzwerk geben könnte. „Der Verdacht wiegt schwer“, sagte Beuth und feuerte gleichzeitig eine Breitseite gegen das ihm unterstellte Landeskriminalamt ab. Er selbst habe im Fall Wissler von der Datenabfrage von einem Polizeicomputer erst am Tag zuvor erfahren, beschwerte sich der Minister öffentlich und warf dem Amt ein „unakzeptables“ Verhalten vor.

Am Freitag entmachtete Beuth schließlich die LKA-Spitze; mit Kriminaldirektor Hanspeter Mener setzte er einen „Sonderermittler“ ein, der die Arbeit des Amtes „ergänzend und federführend begleiten“ werde, so Beuth. Inzwischen regt sich Widerstand gegen diese einseitige Schuldzuweisung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet von „Schriftstücken, die belegen, dass das Ministerium früher informiert war.“

Attacke gegen das LKA geht ins Leere

Die Zeitung will erfahren haben, dass es „mehrere Vermerke“ aus dem März von einer Besprechung zwischen dem LKA und dem Landespolizeipräsidium zu diesem Fall gebe. Dazu muss man wissen: Der Landespolizeipräsident ist gleichzeitig Abteilungsleiter des hessischen Innenministers, residiert also im selben Haus. Gibt es solche brisanten Belege, stellt sich die Frage, ob der Abteilungsleiter seinem Minister wichtige Informationen vorenthalten hat und warum? Die Attacke des Ministers gegen das LKA ginge ins Leere.

Die indirekt angegriffene LKA-Präsidentin Sabine Thurau bekam zudem Unterstützung von Başay-Yıldız, dem ersten Opfer des „NSU 2.0“. Thurau habe nicht die Öffentlichkeit gesucht, wie der Innenminister oder andere politische Akteure, die leere Versprechungen ausgesprochen und sich nie wieder gemeldet hätten, sondern tatsächlich etwas zu ihrem Schutz getan, erklärte die Frankfurter Anwältin.

Die Wiesbadener Landtagsopposition forderte den Innenminister auf, umgehend Klarheit zu schaffen. „Dieser Mann ist nicht mehr Teil der Lösung, er ist Teil des Problems“, erklärte der SPD-Innenpolitiker Günter Rudolph. Der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus ergänzte: „Entweder hat er die eigenen Behörden nicht im Griff, oder er sagt nicht die Wahrheit. Beides ist untragbar“.

Offiziell tritt der Innenausschuss des hessischen Landtags erst wieder am 20. August zusammen. Doch wegen der Brisanz der aufgeworfenen Fragen dürften die Abgeordneten wohl trotz Sommerpause schon bald zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

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