Wand und Wahrheit

Der Hamburger Konzertschuppen „Docks“ sorgt sich um die Meinungsvielfalt in Coronazeiten – und schießt ein veritables Kommunikations-Eigentor

Sicher: Das Docks – der Band Metallica zufolge der „verdammt beste Klub der Welt“ – hat schwierige Monate hinter sich: Seit März keine Einnahmen, weil Konzerte und Partys ausfielen. Ein idealer Resonanzraum für hoffnungsvollere Erzählungen; solche, die das Virus verharmlosen müssen, um seine Bekämpfung für überzogen erklären zu können. „Wir haben festgestellt, dass im Zusammenhang mit der Corona Pandemie über die Gefährlichkeit als auch über die Angemessenheit der Maßnahmen in den Mainstream Medien sehr einseitig berichtet wird“, postete der Laden vergangenen Donnerstag bei Facebook. „Kritische Stimmen, insbesondere aus der Wissenschaft, kommen nur selten oder gar nicht zu Wort.“

So weit, so allzu vertraute Rhetorik, wie sie längst nicht nur Verschwörungsgläubige so gerne bemühen. Ganz in deren Sound aber ging es weiter: „Wir möchten im Rahmen unserer Möglichkeiten alternativen Stimmen Gehör verleihen.“ Und: „Wir wünschen uns eine Anregung der Diskussion, eine Relativierung der Informationen und den Abbau der Angst.“

Dafür also wollte man ein Forum bieten – nicht in der Jauchegrube Internet, sondern ganz real: „Jeder, der eine Alternative Meinung im Rahmen eines A1-Plakates äußern möchte, kann uns seinen Text einreichen und wir veröffentlichen ihn auf unserer Plakatwand für einen Unkostenbeitrag von 20 Euro für einen Zeitraum von vier Wochen.“

Was folgte, waren mehr als 700 wertende Reaktionen und fast 1.200 Kommentare. Darin äußerte sich vor allem Protest. „Was soll das denn werden?“, schrieb einer, der die überwiegende Tendenz gut zusammenfasst. „Eine Mischung aus Verschwörungsmythen, Esoterik und Wandtattoos?“ Das Docks reagierte leicht verschnupft: „Wir sind über die negativen Kommentare sehr verwundert“, erklärte man am Freitag.

Schwerer als das vermeintliche Unverständnis wird gewogen haben, dass sich das Clubkombinat Hamburg – „der Interessenverband der ClubbetreiberInnen, VeranstalterInnen, BookerInnen & Agenturen aus Hamburg“ – am Samstag per Pressemitteilung distanzierte: „Die inhaltliche Aussage und das gewählte Vokabular ist populistischer Natur und wird von den rechten Rändern unserer Gesellschaft in Beschlag genommen. Dieses ist mit den Werten und der Arbeit unseres Verbandes nicht vereinbar.“ Dessen ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende indes heißt Susanne „Leo“ Leonhard – und ist ansonsten Geschäftsführerin des Docks. Bis zum vergangenen Samstag: Da entband das Kombinat sie „per sofort“ von dieser Funktion.

Ist es also nachträgliches Öl aufs Anti-Mainstream-Feuer? Für eine Stellungnahme war Leonhard gestern nicht erreichbar. Alexander Diehl