: Der City-Gipfel ist gescheitert
Vertreter*innen des Handels haben ein Treffen zur Innenstadtrettung zum Abwehrkampf genutzt
VonBenno Schirrmeister
Die Klage, so will es das Sprichwort, ist des Kaufmanns Gruß und zum Jammern hatten sich die Vertreter*innen der Handelskammer beim gestrigen ersten Innenstadtgipfel offenbar verabredet: Dort traten sie auf als Präses, als „Investoren“, als Vertreter der „City-Initiative“ und nutzten ihr personelles Übergewicht, um die Obere Rathaushalle zum Schauplatz eines Abwehrkampfs umzumünzen: Das, was als autofreie City überall, wo es bislang ausprobiert wurde, die Innenstädte als multifunktionale Zentren belebt und Madrid sogar einen regelrechten Einkaufsboom beschert hat, beschworen sie als „Todesstoß“ ins Herz der Hansestadt.
„Autofreie Innenstadt, das ist das Ende“, spekulierte Immobilien- und Bauunternehmer Marco Bremermann. Kultur rette die City auf keinen Fall, wusste er. Und „das Umrüsten der Innenstadt in ein Wohnquartier wird Generationen dauern“. So geht Veränderung. Zwar warnte Hellena Harttung, Leiterin des Ortsamts Mitte-Östliche Vorstadt, es sei „nicht schlau“ das, was Bremen derzeit an Entwicklung probiere, systematisch schlechtzureden. Aber kompensieren ließ sich so die Einladungspolitik des Rathauses nicht: Wer als Akteure in großer Stückzahl lautstarke Besitzstandswahrungsprofis einlädt, wird keine Innovation ernten.
Vertreter*innen der aktuellen sozialen Bewegungen, der kulturellen Institutionen oder der Kreativwirtschaft, denen vielleicht wirklich zugetraut werden könnte, Ideen zu entwickeln oder zumindest sie anzustoßen, waren nicht da oder wenn, dann sehr still. Und versehentlich hatte man nicht einmal die einschlägige und bundesweit beachtete ZwischenZeitZentrale eingeladen. Deren Zwischennutzungspraxis, die momentan die Ex-Könnecke-Fabrik zu einem Zukunfts-Labor macht, hatte in Bremen sogar eine ganze Weile das failed Einkaufszentrum des Lloydhof beleben können: 23 Initiativen fanden darin Platz. Einige Unternehmen sind daraus hervorgegangen. Dann übernahmen die Profis von der „City Initiative“ mit deutlich mehr öffentlicher Förderung. Seither ist es ruhig geworden im Lloydhof, um nicht zu sagen: grabesstill.
Dass Zwischennutzung eines der dringend benötigten Konzepte für die Zeit nach Corona sein würde, darauf hatte schon der Dortmunder Stadtforscher Stefan Kruse im Impulsvortrag hingewiesen. Denn „die Welle der Insolvenzen wird kommen“, bestätigte auch Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke). Deswegen nutzte der Senat die Zusammenkunft, um ein mit zehn Millionen Euro ausgestattetes Notprogramm für die City anzukündigen. Dass es dabei darum gehe, den Strukturwandel mitzudenken, mahnte Elke Heyduck von der Arbeitnehmerkammer an. Dass Wirtschaft und Handel in Bremen dazu nicht fähig sind, ist die bedrückende Erkenntnis, die der Gipfel lieferte.
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