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das portraitStrebt wie Vater Winfried in die Politik: Johannes Kretschmann

Foto: dpa

Über seinen Nachfolger bei den Grünen mache er sich keine Gedanken, behauptet Winfried Kretschmann gern, schließlich sei er kein Monarch. Trotzdem könnte der erste grüne Ministerpräsident zum Begründer einer Dynastie werden. Seine Frau Gerlinde war lange im Gemeinderat ihres Wohnortes, ihre Schwester ist seit dieser Legislaturperiode Landtagsabgeordnete. Und nun strebt auch Kretschmanns mittlerer Sohn Johannes für die Grünen in die Politik. Am Montagabend wurde er vom Kreisverband Sigmaringen und Zollernalb nominiert.

Allerdings muss sich Kretschmann junior als Berufspolitiker erst noch ein eigenes Profil erarbeiten. Immerhin sei der Name positiv besetzt, sagt Kretschmann tapfer zur taz, „anders als bei Kim Jong Il und Kim Jong Un“, und lacht. Anders als in echten Dynastien war der Weg des 41-Jährigen nach seinem geisteswissenschaftlichen Studium in Berlin nicht unbedingt vorgezeichnet.

Zwar hatte Johannes Kretschmann schon in den 90ern die Grüne Jugend in seinem Heimatort gegründet. Aber zunächst arbeitete er lieber als Journalist für ein Onlineportal in der Schweiz. Zurück im schwäbischen Laiz wurde er „zufällig“, wie er es formuliert, für die Grünen in den Kreistag gewählt. Als Fraktionschef dort habe er erlebt, wie man auch mal mit einer Haushaltsrede politisch etwas anstoßen kann und dass es einen „Wert“ habe, sich politisch zu engagieren. In dem kleinen Kreisverband war der Weg zur Bundestagskandidatur dann nicht mehr weit.

Auch wenn Kretschmann junior als Hobbymusiker schon mal in das Horn der „Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot“ in Berlin geblasen hat – politisch sieht er sich eher als „bürgerlichen Grünen“. Kein Wunder, bei der Familie. Kretschmann junior kontert diesen Einwand dialektisch: „Den eigenen Kopf hab ich von meinem Vater geerbt.“ Der vererbte seinem Sohn im vergangenen Jahr aber auch einen Job als Berater der Landesregierung, um den Dialekt im Ländle zu fördern. Die Opposition witterte Vetternwirtschaft, obwohl für Kretschmann junior, den studierten Linguisten, keinerlei Geld floss. Der Vater entgegnete bockig: „Ich würde das wieder so machen.“

Den Wahlkreis muss Kretschmann junior jedoch – Prominame hin und her – selbst gewinnen. Und das wird nicht einfach. Das Ticket nach Berlin erringt auf der Alb traditionell der CDU-Kandidat. Der heißt Thomas Bareiß und ist dank Rekordwahlergebnissen parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Ein Mann, der durch öffentliche Verbrüderungen mit der Regierung Orbán in der Flüchtlingskrise und absonderlichen Tweets über Windenergie einem grünen Gegenkandidaten immerhin genug Angriffsfläche bietet.

Doch bevor der Wahlkampf losgehen kann, muss Kretschmann noch etwas zu Ende bringen. Einen dystopischen Roman, an dem er schreibt. Weit weg von grünen Themen, wie er betont. Man darf gespannt sein, wie der Schöngeist mit dem prominenten Namen 2021 bei den eher bodenständigen Schwaben ankommt. Benno Stieber, Karlsruhe

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