: Das Gegenteil von Verdrängung
Ausstellung „Block 57“ erzählt die ungewöhnliche Geschichte eines Hauses am Rande des Moritzplatzes
Von Peter Nowak
In Kreuzberg hat die Gentrifizierung längst Einzug gehalten. Doch es gibt auch Gegenbeispiele. Das macht ein Video deutlich, in dem Udo Koch, der langjährige Betreiber des Anti-Quariat in der Oranienstraße 45, über seine Zeit als linker Buchhändler seit den 1980ern in Kreuzberg erzählt. Natürlich sind die Veränderungen in dem Stadtteil seit dem Mauerfall ein Thema. Kamen vorher noch Linke aus verschiedenen Ländern auf der Suche nach alternativen Projekten in den Stadtteil, waren es bald TouristInnen auf der Suche nach dem neuesten Event. Koch berichtet auch über die Veränderungen seines Buchsortiments im Laufe der Zeit. Doch die größte Zäsur sei der Onlinehandel gewesen; auch für Koch wurde der Buchverkauf im Internet wichtiger.
Als er vor zwei Jahren sein Anti-Quariat aufgab, hatte das jedoch ausschließlich private Gründe und war keine Folge von Verdrängung. Koch wollte sich einem Leben jenseits des Buchhandels widmen. In den Laden zog auch kein Start-up, was man angesichts der Nähe zum Moritzplatz denken könnte. Vielmehr teilt sich seit 2019 „Das Buchprojekt“ gemeinsam mit dem Verein „Viel&Mehr“ den Raum.Das gemeinsame Anliegen beider Initiativen ist es, Kindern das Lesen nahezubringen. Auch die Vielfalt und Mehrsprachigkeit im Kinderbuch ist dem von Katharina Bischoff und Kerstin Follenius gegründeten Buchprojekt ein besonderes Anliegen. Organisiert wurden Veranstaltungen mit Kindern und Eltern, die in Zeiten von Corona aber vorerst nicht stattfinden können.
Das Video, in dem Koch die ungewöhnliche Geschichte des Raumes erzählt, ist Teil der Ausstellung „Block 57, die derzeit im Kunstraum Scotty in der Oranienstraße 45 zu sehen ist. Sie handelt von der über 100-jährigen Geschichte des Häuserblocks am Rande des Moritzplatzes. Fotos der Gebäude aus den verschiedenen Epochen sind zu sehen.
Die AusstellungsmacherInnen legten Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den aktuellen BewohnerInnen der Gebäude, die in den 1980ern instand besetzt wurden. Ein Nachbarschaftsfest im August 2019 war der Startpunkt des Projekts. Auch zahlreiche Rahmenaktivitäten, die mit der Nachbarschaft geplant waren, mussten coronabedingt abgesagt werden. Die Ausstellung ist noch bis zum 4. Juli kostenfrei donnerstags und freitags von 15–19 Uhr sowie samstags von 14–18 Uhr im Scotty zu sehen und soll anschließend als Dauerarchiv in den 3. Stock der Oranienstraße 45 ziehen.
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