berliner szenen: So viel Fürsorge der Kinder
Es ist herrlich. Endlich darf man wieder draußen im Café sitzen. Man kann in Ruhe die Wochenendzeitung lesen und Mails beantworten. Das läuft allerdings viel besser, wenn ringsherum Leben zu spüren ist.
Zwei alte Freundinnen, die am Nebentisch sitzen, erzählen sich kichernd, wie besorgt ihre Kinder um sie während des Lockdowns waren. Eine der beiden sollte noch nicht mal die Post aus dem Briefkasten holen, einkaufen sowieso nicht. Die andere durfte nicht den Keller aufräumen. Das Treppengeländer! Zu gefährlich. Aber irgendwie klingt auch Stolz aus ihren sich steigernden Schilderungen – diese Fürsorglichkeit hätten sie von ihren viel beschäftigten Kindern gar nicht erwartet.
Das Park-Café ist weitläufig. Hinter üppigen Blumenkübeln spielt ein Vater mit seinem Sohn. Genau genommen ist es so, dass der Vater mit den Autos spielt, der Junge guckt währenddessen verträumt in der Gegend herum. Wo ist denn dein Traktor? Hast du den Traktor versteckt? Der Junge zuckt mit den Schultern. Er hat eine Ameisenstraße entdeckt, die sich um einen Kuchenrest gebildet hat. Er will den Ameisen eine Zugangsbrücke über die Pfütze bauen. Der Vater ist abgemeldet – und schmollt tatsächlich.
Nur eines nervt. Die quietschende Hollywoodschaukel. Ein junges Paar schaukelt anhaltend und energisch. Hin klingt es röhrend, zurück schrill. Man kann auf die Abfolge warten, es wird immer schlimmer. Die beiden kamen vorhin mit Laptop und Ordner unterm Arm. Scheint eine strittige Angelegenheit zu sein, die sie so heftig schaukeln lässt. Dass das Geräusch sie nicht wahnsinnig macht. Als ich mich umdrehe, sehe ich sie gestikulieren.
Kein Wunder, dass ihnen das Quietschen nicht auf die Nerven geht. Sie unterhalten sich in Gebärdensprache.
Claudia Ingenhoven
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