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Ein bisschen Hasch zum Iftār

Die Internet-Seifenoper „Ramadram“ erzählt vom Leben in der Fremde, von kulturellen Unterschieden, Duldung und Perspektivlosigkeit. Zum Zuckerfest geht das große Finale online

Seichte Titelmelodie, kontroverse Themen, große Gefühle: „Ramadram“ hat alles, was eine echte Serie braucht Foto: Filmstill: Julia Rau

Von Katrin Ullmann

Am heutigen Samstag beginnt das Zuckerfest, das zum Ende des Fastenmonats Ramadan gefeiert wird. Es beginnt schon in den frühen Morgenstunden und dauert, je nach Land und Region, zwei bis drei Tage. Es gibt Süßigkeiten und für die Kinder Geschenke. Damit ist der muslimische Fastenmonat offiziell beendet. Bis zum gemeinsamen Fastenbrechen ist es Muslimen von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nicht gestattet zu essen, zu trinken, zu rauchen, Geschlechtsverkehr oder negative Gedanken zu haben.

Das klingt nach einer zähen Zeit. Doch die Unterhaltungsindustrie hat sich längst eingehakt. In der arabischen Welt entstehen unzählige Fernsehserien speziell für die Wochen des Ramadan. Allabendlich zum Iftar, dem späten Abend­essen, tauchen Millionen Menschen weltweit in die bunte Welt der Ramadan-Dramen ein, wie die Seifenopern auch genannt werden. Sie sind eine willkommene Abwechslung − und die dort verhandelten, teils kontroversen Themen führen zu hitzigen Diskussionen.

Auch in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel entstand mit „Ramadram“ zum diesjährigen Fastenmonat eine Soap Opera: selfmade, experimentell und multilingual. Gedreht wurde ausschließlich im transnationalen Begegnungs- und Aktionsraum „Migrantpolitan“. Die Idee kommt von dessen Community-Mitgliedern und sie stehen auch vor der Kamera. Am heutigen Abend um 22 Uhr geht das Finale der 17-teiligen Serie online. Alle vorherigen Teile sind weiterhin mit Untertitelung auf Youtube und kampnagel.de abrufbar.

In der Serie geht es um das Leben in der Fremde, um kulturelle Unterschiede, um Duldung und Perspektivlosigkeit. Es geht um Vorurteile und Klischees, um Liebe und Eifersucht. Es geht um Bauchtanz und um den Versuch, eine Sängerkarriere zu starten. Regelmäßig treffen sich die Figuren der Serie – gespielt von Menschen mit und ohne muslimischen Glauben, mit und ohne Fluchthintergrund – in der kleinen, schrabbeligen Bar „Migrantopolitan“, plaudern bei Tee und Bier, entdecken ihre Gefühle, decken einen Waffenhandel auf oder diskutieren in den frühen Morgenstunden über die korrekte Teppichausrichtung für das Gebet gen Mekka.

Abends wird geraucht und getrunken, Malefiz gespielt und auf den Tischen getanzt. Hinter den Büschen kriecht irgendwann der total unauffällige V-Mann Senkmann hervor und fragt plump nach ein bisschen Hasch, geizt nicht mit rassistischen Bemerkungen und seinen unverstellten Sehnsüchten nach wilden Bauchtanzorgien. Jede Episode dauert rund 10 Minuten, es gibt eine herrlich seichte, orientalisch lockende Titelmelodie (Komposition: Sirwan Ali und Aya Alsamra) und jede Episode endet mit einem Cliffhanger. Alles so, wie es sich für eine richtige Serie gehört.

Entertainen und empowern

Regie geführt hat die Kampnagel-Dramaturgin und -Kuratorin Nadine Jessen, die Videokünstlerin Judith Rau hat – im Teamwork – Kamera und Schnitt übernommen. Die Idee für die Serie ist aus demselben Kernteam entstanden, das 2018 schon die viel beachtete Reality-Show „Hello Deutschland – die Einwanderer“ realisierte. „New Media Socialism“ nennt sich die freie Mediengruppe, die Empowerment mit Entertainment neu kombinieren und alternative Realitäten auf den Bildschirm rücken will und es sich zur Aufgabe gemacht hat, „die mediale Präsentation von Migrant*innen und Geflüchteten in Deutschland mittels emanzipatorischer Methoden zu verbessern“.

Für „Ramadram“ gab es „kein festes Drehbuch, sondern nur eine Storyline und einen grundlegenden Plot“, sagt Jessen, „einzelne Elemente sind während des Drehs noch dazugekommen.“ Manchmal entstanden so Folgen voller tänzerischer Exkurse. Und manche Folgen sind beinahe weggebrochen, da zwei Darstellerinnen nach der Fertigstellung der Serie damit nicht online gehen wollten. „Eine der plötzlichen Sorgen war“, erzählt Judith Rau, „dass die Familie in Schwierigkeiten kommen würde, wenn die Serie öffentlich geht. Da war wohl Angst, sich vor der Familie anders zu zeigen als es sich das sonst gehört“.

Mit viel Geschick – und mithilfe einer Papiertüte – konnte die Serie doch noch fertiggestellt werden. „Storyline und Dialoge wurden von allen Darsteller*innen gemeinsam entwickelt. Dann verließ einige der Mut. Die Papiertüte steht für die unerzählte Geschichte von fehlendem Mut. Eine traurige Geschichte, die leider aber auch alltäglich ist“, heißt es nun im Abspann.

Die beiden Darsteller Abu Jabbi und Boye ­Diallo hingegen sind glücklich, dass die Soap und damit Ausschnitte aus ihrem Leben in Deutschland jetzt im Netz zu sehen sind – mitunter mit immerhin mehr als 1.000 Aufrufen pro Episode. „Die Serie spiegelt unsere Lebensrealitäten hier wieder, zumindest einige der zentralen Themen, die uns beschäftigen. Deshalb finde ich es so wichtig, dass sie jetzt auf Youtube sichtbar ist“, sagt Diallo. Die Reaktionen ihrer Familien seien durchweg positiv gewesen.

„Der Effekt dieses Soap-Formats, in dem alles so leicht und witzig erzählt werden kann, ist ja auch, dass man darin viele eher schwierige Themen verpacken kann“, sagt Jessen. „Wir bezeichnen unsere Arbeitsweise als Empowertainment. Diese Wortschöpfung ist ganz ernst gemeint.“ Ob die letzte Folge denn ein Happy End bereithält? „Die Realität ist meistens ja nicht so freundlich wie die Fiktion“, sagt Jessen, „daher werden bei uns leider nicht die Guten gewinnen. Aber eigentlich ist die ganze erste Staffel ein einziger Cliffhanger für die zweite. Das ein Langzeitprojekt.“

„Ramadram. Eine Ramadan Seiferoper“:letzte Folge am Sa, 23. 5., 22 Uhr. Alle Folgen abrufbar unter www.kampnagel.de/de/ramadram-eine-ramadan-seifenoper/

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