piwik no script img

Die Clownssind böse

Roland Stratmann in der Galerie C&K assoziiert den Kriegswahnsinn aus dem vergangenen Jahrhundert mit dem Wahnsinn in unseren Tagen

Roland Stratmann, BumBum, aus der Serie Larven, 2017/2019, Pigmenttusche auf 40 gelaufenen Feldpostkarten Foto: C&K Galerie

Von Brigitte Werneburg

Hochgestimmt, weil die Galerien wieder offen sind, betritt man die C&K Galerie und missversteht gleich mal gründlich, was hier zu sehen ist: ganz klar farbenfrohe Bilder, die die Laune noch mehr zu steigern versprechen. Aber dann merkt man, mit den Clowngesichtern stimmt etwas nicht. Irritierenderweise schauen sie sehr unfreundlich in die Welt, wenn nicht gar furchterregend. Diese Clowns sind böse Clowns wie Pennywise bei Stephen King oder der Joker im „Batman“-Film.

Das möchte man dann genauer wissen, tritt also näher an die Bilder heran und entdeckt, dass die Gesichter auf einen sehr speziellen Bildgrund getuscht sind. Er besteht aus Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg, sichtbar ist die beschriebene Seite, damals noch in Sütterlin, weswegen der Text für uns heute nur schwer zu lesen ist.

Roland Stratmann, der Schöpfer dieser Bilder, hat sich die Mühe gemacht, die Nachrichten zu entziffern, woraus das fröhliche Bunt der Arbeiten resultiert. Es stammt von den in Versalien geschriebenen, pinkfarbenen, neongrünen, blauen oder gelben Worten, die über die Blätter floaten. Sie bilden Sätze wie „das Wetter ist hier tadellos“, „es geht immer noch feste drauf“ oder „mein Junge, ich langweile mich hier tödlich“. Stratmann hat sie auf den Postkarten gefunden.

Vielschichtig, dieser Begriff trifft sichtlich auf Roland Stratmanns Werk zu, wobei sich der 1964 geborene Konzeptkünstler ganz unzweideutig als politischer Künstler positioniert. Da sind die Worte erst einmal einfach Farbträger, bunte Formen, die das Bild strukturieren. Aber dabei prozessieren sie Sinn, Sätze, die man zwar als Stereotype der Vergangenheit abtun kann, die aber für einige Verunsicherung sorgen, transportieren sie doch unumgänglich die Frage, wie es eigentlich um unsere pseudoklugen Alltagsweisheiten steht, mit denen wir versuchen (und versucht sind!), uns mit einer krisenhaften oder rundweg katastrophalen Situation zu arrangieren.

Die gleichen Worte im Fließtext der Postkarten funktionieren als stetes Hintergrundrauschen des zeichnerischen Motivs, das aber trotzdem in keinem direkten Bezug zum Postkartenmaterial und dem historischen Kontext steht, den dieses aufruft. Im Gegenteil kommt mit dem Bild des bösen Clowns die Popkultur ins Spiel, der seine Figur entstammt. Diese, recht besehen, enorme Distanz zwischen Bild und Bildgrund ist denn auch die Quelle der politischen Provokation von Stratmanns „Larven“ genannten Clowns, mit denen uns der Künstler zum Nachdenken bringt.

Worte auf den Bildern sind Farbtupfer, und sie ergeben Sinn

Und wortwörtlich in Bewegung. Denn zu Sätzen werden die bunten Großbuchstaben erst in einer gewissen Entfernung zum Bild, und die individuell adressierten Benachrichtungen lassen sich nur nahe vor dem Bild als auch kollektive Zustandsbeschreibung im Archiv der Postkarten erkennen.

Und da lohnt sich ein kurzer Gang durch die kleine Grünanlage hinüber in die Galerie Poll, wo Volker Stelzmann umgekehrt eine gewitzte, böse und dabei auch einfach witzige Zustandsbeschreibung des Kollektivs skizziert hat.

Die dicht gedrängten Menschen – welche Utopie heute – auf seinen mit altmeisterlicher Bravour gemalten Leinwänden zeigen sämtlich einen merkwürdig abwesenden Blick, kombiniert mit einer seltsam verdrehten Hand- und Körperhaltung. Der eigenartig stillgestellte Veitstanz erklärt sich schnell, imaginiert man in jeder Hand ein Smartphone.

Bis 30. Mai, C&K Galerie, Joa­chimstr. 17, Mi.–Fr. 14–18 Uhr, Sa. 12–16 Uhr. Am Freitag, 15. Mai, und Samstag, 23. Mai, gibt es ein „Individuelles Meet & Greet“ in der Galerie mit dem Künstler Roland Stratmann. Bis 13. Juni, Galerie Poll, Gipsstr. 3, Di.–Sa. 12–18 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen