berliner szenen: Im schwarzen Loch
Meine Freundin W. ruft früh am Abend an. „Ich bin müde“, sagt sie gleich zu Beginn. „Müde vom Nichtstun. Wenn das so weitergeht, bin ich bald insgesamt nur noch acht Stunden wach, aber die in der Nacht“, sagt sie. „Tagsüber schlafe ich. Gerade bin ich aufgewacht.“
„Auch eine Variante von die Nacht zum Tag machen“, finde ich. Sie gähnt.
„Es passiert ja aber auch nichts“, sagt sie. „Wenn ich aus dem Fenster sehe, läuft kaum jemand vorbei, nur ab und an mal einer mit Hund oder ein Fahrradfahrer mit Helm und Maske. Langweilig. Dann liege ich manchmal bloß so da und höre einer Fliege zu.“ Ich gähne jetzt auch. „Und wenn ein Auto vorbeifährt, erschrecke ich mich.“
„Mmmh“, mache ich.
Es ist still. Ich höre die Uhr ticken und draußen einen Vogel schreien.
Am Fenster sehe ich in den dunklen Baum gegenüber. Die Blätter bewegen sich träge, es geht ein nur milder Wind.
„Tja“, sage ich und lasse mich auf mein Sofa fallen, schiebe mir ein Kissen unter den Kopf und sehe zur Zimmerdecke. Meine Deckenlampe sieht von unten aus wie ein Blumenstrauß mit fünf Blüten. Je länger ich auf sie starre, desto mehr scheinen die fünf Elemente leicht zu pendeln, es sieht aus, als würden ihre Köpfe wackeln. Sie nicken mir zu. Ich schließe die Augen.
W. fragt: „Findest du auch, dass sich die Zeit verändert? Alles wird langsamer, dabei aber viel schneller. Vielleicht sind wir in einem schwarzen Loch. Hast du darüber schon mal nachgedacht?“ Ich antworte nicht. Als ich wieder aufwache, hat W. aufgelegt. Stattdessen wartet da eine Nachricht von vor zwei Stunden: „Ich glaube, es ist mir noch nie passiert, dass jemand einschläft, während ich mit ihm telefoniere. Hab es auch erst echt spät kapiert. Physikalische Themen sind wohl nicht so deine, was?“ Isobel Markus
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