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Archiv-Artikel

„Stell dich, Radovan“

Dramatisch klang am Donnerstagabend der Appell von Ljiljana Zelen-Karadžić an ihren im Untergrund lebenden Mann: „In der Hoffnung, dass du noch lebst und dass du entscheiden kannst, bitte ich dich, aufzugeben.“ Unter Tränen bat die Ehefrau den vom UN-Tribunal in Den Haag gesuchten bosnisch-serbischen Politiker, ein „Opfer für die Familie“ zu erbringen und seine Flucht zu beenden. „Unser Leben und unsere Existenz sind in Gefahr“, sagte sie.

Das Haus von Ljiljana Zelen-Karadzic in Pale bei Sarajevo wird ständig von Eufor-Truppen bewacht und wurde mehrmals durchsucht. Erst Anfang Juli stürmten Soldaten der Eufor ihr Haus, verhafteten ihren Sohn und nahmen ihn zu einem zehntägigen Verhör mit.

Sie handele im Interesse der Familie; Kinder und Enkelkinder gingen vor, erklärte die 1947 in Sarajevo geborene Psychiaterin. Ljiljana lernte ihren Mann Ende der 60er-Jahre in Sarajevo kennen, als dieser sich als Psychologie- und Medizinstudent in dem Haus ihrer Eltern einmietete.

Liebe auf den ersten Blick? Tatsache ist, dass das Paar sogleich heiratete und mit Sohn Sascha und der Tochter Sonja zwei Kinder bekam. Mit dem Aufstieg Radovan Karadžić’ zum nationalistischen Führer der bosnischen Serben Anfang der 90er-Jahre geriet auch Ljiljana in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Als Vorsitzende des Roten Kreuzes in der serbisch bosnischen Teilrepublik verhandelte sie während des Krieges 1992–95 über die Abschiebung von Vertriebenen, von Menschen also, die durch die Politik ihres Mannes ihre Heimat verloren hatten. Diesen Posten hatte sie auch noch nach dem Abtauchen ihres Mannes in den Untergrund 1996 lange Jahre inne. Heute betreibt sie eine kleine Klinik in Pale. Die beiden führten bis 1996 eine intakte Ehe und sie stehen bis heute in enger Verbindung. Das jedenfalls vermuten die Ermittler des Den Haager Tribunals und die internationalen Geheimdienste. Über Kuriere hätten die beiden immer wieder Informationen ausgetauscht. Erst im Juni waren bei einer Durchsuchung ihres Hauses Liebesgedichte ihres Mannes an sie gefunden worden. In einem Brief aus dem Jahre 2002 dankt er ihr für neue Wäsche und gibt als sorgender Vater den beiden erwachsenen Kinder Ratschläge, wie sie ihr Geld anlegen sollen.

Der Appell an ihren Mann könnte einerseits bedeuten, dass sie tatsächlich allein um das Wohl der Familie besorgt ist. Andere Quellen meinen, sie habe auf Geheiß ihres Mannes gehandelt. Der Appell könnte ein Anzeichen dafür sein, dass der abgetauchte Karadžić sich selbst stellen will, weil die Häscher ihm nahe gekommen sind, erklären diese Quellen.

ERICH RATHFELDER