: Mit Corona gegen die Zivilgesellschaft
„Wir müssen den Menschen klar machen, dass Corona real ist“, sagt der Radiojournalist Albert Chaibou aus Niger. Gleichzeitig kämpft er für die Freilassung von Kollegen, die verhaftet wurden
Albert Chaibou ist Chefredakteur des zivilgesellschaftlichen Radiosenders Alternative Espaces Citoyens in Nigers Hauptstadt Niamey.
Aus Niamey Albert Chaibou
Niamey ist das Epizentrum der Pandemie in Niger. Es gibt 570 Fälle im Land, fast alle in der Hauptstadt. 14 Menschen sind bislang gestorben. Einige Kranke sind in Kliniken, andere bei sich zu Hause. Die Regierung hat Hotels und ein Stadion reserviert, um Kranke aufzunehmen, falls die Zahl steigt. Viele Unternehmen haben geschlossen, vor allem Bars, Hotels und Restaurants. Die sind in großen Schwierigkeiten, viele Menschen sind oder werden deshalb arbeitslos.
Öffentliche Versammlungen sind verboten, aber es gibt keinen kompletten Shutdown. Man darf zwar weder die Stadt Niamey verlassen noch aus anderen Landesteilen herkommen. Aber die Bewohner der Stadt dürfen zwischen 6 Uhr morgens und 19 Uhr abends ihre Häuser verlassen.
Ich bin über das Osterwochenende zu Hause geblieben, gehe ansonsten aber in mein Büro beim Radiosender.
In unserem Programm geht es natürlich auch viel um Corona. Wir versuchen den HörerInnen zu vermitteln, dass das Virus nicht nur erfunden, sondern real ist, überall auf der Welt, dass es Arme und Reiche gleichermaßen töten kann. Das müssen die Menschen begreifen, damit sie die Schutzmaßnahmen einhalten, Masken tragen, Distanz halten, nicht in die Moscheen gehen und auch andere Ansammlungen vermeiden.
Es sind zum Glück nicht viele, aber nicht alle Menschen glauben an die Erkenntnisse über das Virus. Einige denken, Corona sei eine Krankheit, die entweder nur Weiße befällt oder die die Weißen sich ausgedacht haben, um uns das Leben unmöglich zu machen. Andere denken, man wolle die Menschen mit Corona vom Beten abhalten.
Einige Marabouts, die islamischen Geistlichen, haben die staatlichen Anordnungen nicht respektiert, teils haben Menschen sich zum Beten in Moscheen versammelt, etwa letzten Freitag hier in Niamey. Dann ist die Polizei gekommen und hat sie vertrieben und auch einen Imam verhaftet. Danach gab es eine Demo für dessen Freilassung. Dieser Konflikt ist etwas schwierig, weil am 23. April der Ramadan beginnt und die Menschen dann mehr beten als sonst, das kann Probleme machen.
Es gab natürlich nicht genug Masken und die Regierung hat auch keine verteilt. Aber viele Schneider haben angefangen, sie zu nähen, man kann sie nun überall kaufen, nicht mehr nur in den Apotheken, Straßenhändler bieten sie an, auf den Gehsteigen und in den Bussen, für umgerechnet 35 Cent pro Stück.
Die Regierung betreibt zwar Aufklärungskampagnen über die Pandemie. Gleichzeitig hat sie Corona aber auch als Vorwand benutzt, um gegen die Zivilgesellschaft vorzugehen. Im März gab es eine große Demonstration wegen eines riesigen Korruptionsskandals im Verteidigungsministerium, bei dem viele Milliarden Francs gestohlen worden sind. Die Regierung hält den Untersuchungsbericht geheim. Zu dieser Demonstration hat auch die Organisation Alternative Espaces Citoyens aufgerufen, die den Radiosender betreibt, dessen Chefredakteur ich bin. Die Regierung hat die Demo wegen Corona verboten – dabei gab es zu dieser Zeit noch keinen Fall im Land und alle anderen Menschenansammlungen durften weitergehen.
Wir haben deshalb trotzdem demonstriert und es gab Verhaftungen. Unter anderen wurde unser Generalsekretär Moussa Tchangari festgenommen und sitzt seither in der Stadt Tillaberi nahe der Grenze zu Mali im Gefängnis – wegen Verstoßes gegen das Demonstrationsrecht.
Anfang März hatte die Regierung zudem noch einen jungen Kollegen von uns festnehmen lassen, weil er über einen Corona-Verdachtsfall berichtet hatte. Er ist seit vorletzter Woche wieder frei. Auch zwei TV-Journalisten kamen nach Berichten über Corona vorübergehend in Gewahrsam. Das Ganze diente natürlich dazu, die Presse einzuschüchtern. Mit Seuchenschutz hat es nichts zu tun.
Corona ist auch für die MigrantInnen in Niger ein großes Problem. Sie können wegen der Einschränkungen nicht mehr weiterreisen. In sechs Camps sitzen fast 2.400 Menschen fest. Und die Behörden befürchten, dass es dort zu einem Coronaausbruch kommen könnte.
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