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Archiv-Artikel

Das Mausoleum für Aischa Bibi

IMMER WEITER (3) Überall in Kasachstan wird gebaut. Bis die Häuser fertig sind, wohnen die Kasachen in Jurten auf der Baustelle. Schotterpisten und Hitze drosseln das Vorwärtskommen Richtung Kirgisien

Ausländer müssen sich in Kasachstan offiziell registrieren lassen. Das machen wir in Aral in einer Schreibstube, die gleichzeitig auch als Möbelhaus und Beautysalon fungiert

Kasachstan kann alles und hat alles. Öl, Gold, Stahl – das erzählt uns jedenfalls Absal, der erste Kasache, den wir kennen lernen. Entweder das Brainwashing der Diktatur funktioniert. Oder es stimmt. Immerhin haben die Kasachen bei den olympischen Spielen sechs Goldmedaillen gewonnen.

Wir sind beeindruckt, und das, obwohl wir auf unserem Weg von Deutschland nach Kirgisien schon 5.000 Kilometer gefahren sind. Laut O2 sind wir jetzt in Weltzone 4. Mehr gibt es nicht. Inzwischen ist nicht mehr unser Kirgise Taalay der Exot, sondern wir Deutschen sind die Exoten. Die geografische Grenze zu Asien überqueren wir in Oral. In den Autobussen hängen jetzt Vorhänge aus Samt mit goldenen Quasten.

Der Rest ist Steppe. Aber sie ist nicht so leer, wie sie aussieht. Am Straßenrand stehen immer wieder Kamele. Wenn ein Auto anhält, hören sie auf zu kauen. Das einzige vertikale Element in dieser Landschaft sind die Windhosen. Dafür sind die Städte voller Werbung. Aber hier geht es nicht um Waschmittel oder Autolack. Es ist Eigenwerbung von Nursultan Nasarbajew, dem seit der Staatsgründung 1991 einzigen Präsidenten Kasachstans. Nasarbajew mit kasachischen Kindern, Nasarbajew vor kasachischen Birken, Nasarbajew vor der kasachischen Flagge.

Tatsächlich sieht es so aus, als seien die Kasachen beschäftigt: Überall bauen sie Häuser. Bis diese fertig sind, wohnen sie in Jurten auf der Baustelle. Aber auch an der Straße wird gebaut. Ab jetzt gilt: Durchschnittstempo 25 Stundenkilometer. Die Schotterpisten sind nichts für empfindliche Mägen. Und eigentlich auch nichts für Fahrzeuge ohne Vierradantrieb, wie unser Sprinter eins ist. Immerhin wollen wir ihn ja noch spenden. Aber es gibt nur diese eine Straße. Die Trucker ziehen sich gegenseitig aus den Sandlöchern. Wenn die Luft so staubig ist, dass die Fahrer nichts sehen, bleiben sie stehen und warten. Trotz allem schaffen wir es nach Aktöbe. Die Stadt heißt nicht nur „Weißer Hügel“, hier sind auch die Hosen weiß, die Autos, der Sand, auch die Preise sind für Weiße.

In Kasachstan müssen sich Ausländer offiziell registrieren lassen. Das machen wir in Aral in einer Schreibstube, die gleichzeitig auch als Möbelhaus und Beautysalon fungiert. Die Stadttore sind hier mit Wellen, Schiffen und Ankern geschmückt – aber dort, wo der See war, ist jetzt Salzwüste. Salzwüste mit Autospuren. Gegen den Wind und den Sand wickeln sich die Menschen Tücher ums Gesicht.

Schon um 9 Uhr morgens zeigt das Thermometer 35 Grad Celsius im Schatten. Die Cafés sind darauf eingerichtet: Reisende können in den Hinterhöfen mit Kübeln duschen. Zum Händewaschen wird ein Becken immer wieder aufgefüllt. Die Siesta halten die Bauarbeiter auf dem Tapschan, einer erhöhten Fläche. Sie liegen an flachen Tischen und gucken TV. Turmspringen bei den olympischen Spielen, das kühlt auch. Wir probieren Kamelmilch und fahren weiter.

Das Gebiet um Baikonur, dem Flughafen in den Weltraum, gehört immer noch den Russen. Ab Kizilorda nimmt der russische Einfluss dann ab. Beim Erdöl haben die Kanadier ihre Hände im Spiel, auf der Seidenstraße die Muslime. Hier gibt es nicht nur Bäume, Karawansereien und Basare, sondern auch Geschichten. Wenn ein Muslim dreimal zu der Moschee von Hodscha Achmed Jassawi nach Turkistan fährt, dann ist das genauso viel wert wie eine Pilgerfahrt nach Mekka. Und das Mausoleum für Aischa Bibi hat ihr Verlobter Karachan gebaut, nachdem sie als Mann verkleidet zu ihm nach Taraz geritten ist. Aber sie war verflucht und starb an einem Schlangenbiss. Im letzten Moment konnte sie Karachan jedoch noch das Jawort geben. Kasachstan kann eben doch alles.

CATARINA VON WEDEMEYER

■ Catarina von Wedemeyer bringt im August zusammen mit drei anderen jungen Leuten einen Sprinter, der mit Spenden erworben wurde, zu einem kirgisischen Sozialprojekt, 7.000 Kilometer weit