: Mehr Zeit für den Blattschuss
Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) erweitert die Zeiträume für die Jagd auf Hirsche und Rehe. Der Landesjagdverband hält das für falsch
Von Gernot Knödler
Till Backhaus (SPD), Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister, hat den Unmut des Landesjagdverbandes auf sich gezogen. Weil der Minister die Möglichkeiten erweitern will, Hirsche, Rehe und Damwild zu jagen, wirft ihm der Verband vor, sein Wort gebrochen zu haben und eine jahrzehntelange gedeihliche Zusammenarbeit in die Tonne zu treten. Der Ökologische Jagdverband dagegen begrüßte die Pläne, weil sie es ermöglichten, den aus seiner Sicht viel zu hohen Wildbestand zu verringern.
Geht es nach dem Minister, der selbst den Jagdschein hat, wird am 1. April eine neue Jagdzeitenverordnung gelten. Sie würde die Gewichte vom Schutz des Wildes hin zum Schutz des Waldes verschieben, indem sie den Wildbesatz verringert und damit den vom Klimawandel geschädigten Wald vor übermäßigem Fraß schont. Der Landesjagdverband, der den Großteil der Jägerschaft im Land vertritt, hält die Änderung für unnötig und schädlich.
Dabei bezieht sich Backhaus mit seinen Plänen auf das Ergebnis eines Runden Tisches mit Vertretern des Naturschutzes, der Forstwirtschaft und der Jagd, das auch zwei Vertreter des Landesjagdverbandes unterzeichnet hatten. Drei Tage später zogen sie ihre Unterschriften zurück. Die beiden Vertreter seien „nicht autorisiert“ gewesen, Zusagen im Namen des Landesjagdverbandes zu machen, sagt dessen stellvertretender Geschäftsführer Henning Voigt.
Die Verordnung negiere „wissenschaftliche Empfehlungen zu einem ausgewogenen Verhältnis von Jagd und Ruhezeiten für das Wild“ und sei „nicht tierschutzkonform“, erklärte der Verband. Ein um mehrere Wochen vorgezogener Beginn der Jagd auf junges Rot-, Dam-, Muffel- und Rehwild sowie Rehböcke störe das Wild und schade insbesondere trächtigen Tieren. „Die Tiere brauchen Ruhe, gerade in dieser Zeit“, sagt Voigt.
Außerdem reiche die bisher festgesetzte Jagdzeit aus, um auf die geforderten Abschusszahlen zu kommen. Hegegemeinschaften, die das nicht schafften, hätten ein Managementproblem. Allerdings räumt Voigt ein, dass kein Jäger gezwungen sei, außerhalb des heute geltenden Zeitrahmens zu jagen. „Es ist zwar unglücklich, aber ich habe keinen Schießbefehl“, sagt Voigt.
Der Deutsche Tierschutzbund sieht die Ausweitung der Jagdzeiten ebenfalls kritisch. Mehr noch: „Wenn man es von Seiten der Jäger wirklich mit dem Tierschutz halten würde, müsste man sich für eine drastische Verkürzung der Jagdzeiten aussprechen“, sagt James Brückner vom Tierschutzbund.
Aus Sicht der Tierschützer ist die Jagd aber an sich nicht geeignet, den Wildbestand zu regulieren. Es sei versäumt worden, den Lebensraum für die Tiere so zu gestalten, dass die Population nicht überborde. Es räche sich, dass die Jäger zu lange auf Trophäen geschielt, das Wild gefüttert und zu wenige Schutzzäune gebaut hätte. „Die Wildtiere müssen das jetzt ausbaden“, sagt Brückner.
Auch der Ökologische Jagdverband (ÖJV) Mecklenburg-Vorpommerns hält den Wildbestand für viel zu hoch. Weil für ihn die Devise „Wald vor Wild“ gilt, begrüßt er die geplanten Änderungen. „Wildbiologisch spricht nichts dagegen“, sagt der Vorsitzende Rainer Bartholdt, „es geht nur um die Trophäe.“ Die heutigen Jagdzeiten stellten insbesondere sicher, dass Rehböcke nur in Zeiten geschossen werden können, in denen sie ein „Gehörn“ haben.
Bartholdt ärgert das: „Es kann doch nicht die Jagd als Freizeitvergnügen der Taktgeber für den Wald sein.“ Der in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht explodierte Wildbestand müsse verkleinert werden, damit der Wald eine Chance habe, sich alleine zu verjüngen. Dazu müsse die Jagd in Zeiten erlaubt sein, in denen das Wild zu sehen sei.
Andere Bundesländer hätten die geplanten Regeln längst umgesetzt. „Es ist völlig unklar, welche Ziele der LJV mit dem Zurückziehen der Unterschrift verfolgt“, sagt Bartholdt. „Sachargumente wurden bisher nicht vorgetragen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen