Spahn kein Diktator

Gesundheitsminister bekommt neue Befugnisse – Infektionsschutz bleibt aber Ländersache

Von Christian Rath

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhält im novellierten Infektionsschutzgesetz weniger Kompetenzen als zunächst geplant. Er kann den Ländern keine Weisungen geben und auch keine Ärzte zwangsverpflichten. Auf Druck der Länder und der Opposition wurde die am Mittwoch beschlossene Ergänzung massiv entschärft. Am Ende stimmten CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne zu.

Das Infektionsschutzgesetz von 2001 ist das zentrale Gesetz zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie. Es ist ein Bundesgesetz, das fast ausschließlich von den Ländern ausgeführt wird. Das heißt, die Länder entscheiden, wann Schulen geschlossen werden, wer in Quarantäne kommt und welche Ausgangsbeschränkungen es gibt. Spahn wollte das ändern. In einem Gesetzentwurf, der am Wochenende bekannt wurde, war vorgesehen, dass er den Ländern „Einzelweisungen“ geben könne. Dies hätte zum Beispiel zu bundesweit einheitlichen Ausgangsbeschränkungen führen können. Auf Druck der Länder wurde dieses Weisungsrecht aber gestrichen. Spahn kann nun lediglich Empfehlungen geben.

Allerdings bekommt Spahn neue Befugnisse, die bisher im Infektionsschutzgesetz nicht vorgesehen waren. So kann der Minister künftig per Verordnung Verkaufsverbote für Medikamente, Diagnostikgeräte und Schutzkleidung aussprechen, um die Versorgung sicherzustellen. Eine Beschlagnahme ist aber nicht mehr vorgesehen. Auch die zunächst geplante Möglichkeit zur Zwangsverpflichtung von Ärzten, Apothekern, Pflegern und Medizinstudierenden wurde auf Druck der Opposition gestrichen.

Voraussetzung für Spahns neue Befugnisse ist die Feststellung einer nationalen Epidemie („epidemische Lage von nationaler Tragweite“). Ursprünglich sollte die Bundesregierung diese Lage selbst feststellen. Auf Druck der Opposition hat nun aber der Bundestag diese Befugnis. Er hat diese am Mittwoch auch gleich genutzt und der Corona-Epidemie die nationale Tragweite attestiert.

Der Bundestag muss dann auch beschließen, wann die nationale Epidemie zu Ende ist. Im Gesetz ist als maximale Dauer von Spahns Sonderbefugnissen der 31. 3. 2021 festgeschrieben. Die Linke wollte dies auf ein halbes Jahr beschränken, doch nur die AfD unterstützte sie dabei.

Die Feststellung einer nationalen Epidemie hat derzeit also weniger Folgen als zunächst erwartet. Doch in den kommenden Wochen und Monaten werden sich an diesem Ausnahme-Status sicher noch viele Ausnahme-Regelungen festmachen (die der Bundestag dann aber jeweils beschließen muss). Was zu erwarten ist, zeigt Bayern. Dort hat der Landtag am Mittwoch ein bayerisches Infektionsschutzgesetz beschlossen, das weit über die Bundesregelung hinausgeht. Es erlaubt die Zwangsverpflichtung von Medizinern und auch die Beschlagnahme von zum Beispiel Beatmungsgeräten und Schutzmasken.

Auch Spahn hat noch weitreichende Pläne. So sagte er am Donnerstag, dass er weiterhin die Nutzung von Handydaten zur Ortung von Kontaktpersonen anstrebt. Eine entsprechende Befugnis war schon am Sonntag aus dem Gesetzentwurf gestrichen worden.