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Das Rennengegen den Virus

Seit Sonntag wird die Rundfahrt Paris–Nizza wegen des Coronavirus unter besonderen Auflagen ausgetragen. Viele Rennen dagegen sind abgesagt

Von Tom Mustroph

Das Coronavirus bringt auch den Radsport durcheinander. Am Samstag hätte das Lehmstraßenrennen Strade Bianche stattfinden sollen, ein erster Höhepunkt für Männer wie Frauen. Zwei Tage vorher wurde der Event kurzfristig abgesagt. „Wir haben diese Entscheidung treffen müssen. Die Gesetze, die die Regierung zur Eindämmung der Ausbreitung erlassen hat, ließen keine andere Möglichkeit zu“, erzählte Renndiektor Mauro Vegni. Vegni verantwortet auch die Fernfahrt Tirreno Adriatico, die am Mittwoch starten sollte, den Frühjahrsklassiker Mailand–Sanremo (21. März) und den Giro d’Italia im Mai. Tirreno und Sanremo wurden ebenfalls abgesagt. „Wir hätten die Rennen gern durchgeführt, aber wir entscheiden ja nicht allein“, meinte Vegni trocken. Er hofft jetzt, dass bis Mai die Situation so weit geklärt ist, dass zumindest der Giro stattfinden kann. Und den Juni oder auch den September peilt er als Ersatztermine für die ausgefallenen Rennen an.

Die Teams gingen unterschiedlich mit der Situation um. Gleich sechs WorldTour-Teams, darunter Team ­Ineos mit dem vierfachen Toursieger Chris Froome, Jumbo Visma mit Herausforderer Primoz Roglic und CCC mit dem Berliner Profi Simon Geschke sagten die Teilnahme an allen Märzrennen ab. Andere Rennställe hingegen nehmen das abgespeckte Rennprogramm weiter wahr. „Wir haben als Team entschieden, dass wir so lange Rennen fahren, solange die UCI, die Organisatoren und die jeweiligen Gesundheitsbehörden im Lande die richtigen Vorkehrungen treffen“, sagte Kjell Carlström, Generalmanager von Israel Start-up Nation, dem Rennstall von Nils Politt und André Greipel.

Beim deutschen Rennstall Bora- hansgrohe sieht man die Sache ähnlich. Das Team war sogar schon am Startort der Strade Bianche. Jens Zemke, der sportliche Leiter, erzählte: „Wir haben uns am Donnerstag noch die letzten 80 Kilometer von der Rennstrecke angeschaut und haben bis zur definitiven Absage alles so gemacht, als würde das Rennen wirklich stattfinden. Speziell für die Fahrer tut es mir sehr leid, weil sie doch sehr viel harte Arbeit in die Vorbereitung gesteckt haben und wir mit einem hochmotiviertem Team am Start gestanden hätten.“

Noch nicht auf den Weg gemacht hatte sich hingegen das Frauenteam von Canyon SRAM. „Wir wollten erst die offizielle Mitteilung abwarten. Wir hatten aber schon mit der Absage gerechnet“, teilte Teamchef Ronny Laucke mit. Er betonte, dass bislang alle Fahrerinnen Interesse hätten, an den Rennen auch teilzunehmen. „Wir haben mit allen gesprochen. Es gab keine Einwände. Wo gestartet werden kann, wollen wir auch starten“, meinte er. Das betrifft für die Frauen Rennen in den weniger vom Virus heimgesuchten Ländern Niederlande (Ronde van Drenthe, 15. März) und Belgien (Danilith Nokere Koerse, 18. März).

Bei den Männern handelt es sich um die Fernfahrt Paris–Nizza. Die startete am Sonntag unter besonderen Auflagen. Dennoch haben sieben gemeldete Teams ihre Teilnahme abgesagt. Ausrichter ASO empfahl den Fahrern, vor dem Start so lange wie möglich in den Bussen zu bleiben. Pressekonferenzen und Interviewmöglichkeiten wurden abgesagt. In den Hotels werden nur maximal zwei Teams gemeinsam sein.

In den Emiraten wollen drei Profis, die sich noch in Quarantäne befinden, an virtuellen Rennen teilnehmen

Letztere Maßnahme zielt vor allem auf die Risiken der Quarantäne. Bei jedem neuen positiven Fall müssten nur maximal zwei Teams das Rennen verlassen. Die UAE-Tour in den Vereinigten Arabischen Emiraten musste auch deshalb abgebrochen werden, weil alle Teams im gleichen Hotel untergebracht waren.

Als Schlussfolgerung aus dieser Dauerquarantäne forderte Lotto Soudal-Profi Roger Kluge: „Sollte es erneut einen positiven Fall geben, sollte man dafür sorgen, dass man – vorausgesetzt, das Hotel lässt es zu – eine Rolle und ein Rad auf dem Zimmer hat.“ Das war bei der UAE-Tour nicht der Fall. Viele Profis hingen tatenlos auf den Zimmern herum.

Noch immer sind Profis von drei Teams in den Emiraten eingeschlossen. Räder und Rollen haben sie inzwischen. Drei Profis von Groupama FDJ haben erklärt, sich von ihren Hotelzimmern aus an einem virtuellen Rennen der Plattform Swift zu beteiligen. In Zeiten des Coronavirus ist der E-Sport eine dankbare Alternative.

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