piwik no script img

Kein Cent für die Toten

Der Iran verweigert den Hinterbliebenen des Abschusses bei Teheran im Januar 2020 eine Entschädigung

Am Neujahrstag hatten die beiden Studierenden Puneh Gori und Arash Pourzarabi im Iran geheiratet. Doch nur eine Woche später fand das junge Glück ein tragisches Ende. Auf der Rückreise nach Kanada wurde ihr Flugzeug kurz nach dem Start in Teheran vom iranischen Militär abgeschossen. Alle 176 Menschen an Bord des Fluges 752 der Ukrainian Airlines International verloren ihr Leben.

Für die Angehörigen von Puneh Gori und Arash Pourzarabi brach eine Welt zusammen. Zwar hatte die iranische Regierung nach drei Tagen des Leugnens einen „versehentlichen“ Abschuss der Maschine eingeräumt und sich bei den Familien entschuldigt. Die Blackbox aber rückt das Regime bis heute nicht heraus und auf eine Entschädigung aus Teheran warten die Betroffenen bislang vergeblich.

Die Wut auf das Mullah­regime ist groß unter den Opferfamilien – ganz besonders in Kanada. 85 der Getöteten lebten wie Puneh Gori und Arash Pourzarabi im Land, 55 von ihnen besaßen einen kanadischen Pass. Viele waren Doppelstaatler mit iranischen Wurzeln, die an kanadischen Hochschulen studierten oder lehrten. Die sterblichen Überreste von dreizehn Opfern wurden mittlerweile nach Kanada überführt.

Um den Familien bei den Rückführungs- und Bestattungskosten zu helfen, hat die Regierung in Ottawa den Angehörigen eine Soforthilfe von 25.000 kanadischen Dollar pro Opfer zugesprochen. Eine private Spendeninitiative mit dem Namen „Canada Strong“ hat weitere 3,3 Millionen Dollar gesammelt. Von der ukrainischen Fluggesellschaft oder dem iranischen Regime dagegen kommt bislang kein Geld.

Bei einem Besuch in Kiew drängte Kanadas Außenminister François-Philippe Champagne zuletzt auf eine schnelle Lösung in der Entschädigungsfrage. Die ukrainische Regierung versprach, sich bei der Airline für die Gelder einzusetzen. Dazu ist die Gesellschaft laut Warschauer Konvention verpflichtet. Man einigte sich ferner darauf, den internationalen Druck auf Teheran aufrechtzuerhalten.

Viele kanadische Opferfamilien indes glauben nicht an eine rasche Lösung. Sie haben eine Sammelklage gegen den iranischen Staat eingereicht. Damit soll die Regierung in Teheran gezwungen werden, 1,5 Milliarden Dollar Entschädigung auszuzahlen. Die Erfolgsaussichten der Klage werden von Experten allerdings als eher gering eingestuft, und das juristische Tauziehen dürfte Jahre dauern.

Die Familie von Puneh Gori hat sich der Klage trotzdem angeschlossen, weil sie Teheran zur Rechenschaft ziehen will. Viele Exil-Iraner in Kanada werfen dem Mullahregime vor, die Passagiere seinerzeit bewusst als menschliche Schutzschilde missbraucht zu haben, um Druck auf den Erzfeind USA auszuüben. Mit der Klage wollen sie ein Zeichen setzen – nicht zuletzt den Opfern zuliebe.

Jörg Michel, Vancouver

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen